Die Städte rüsten auf

TRIER. In einem Punkt sind sich alle Experten einig: Die Gewichtsverteilung zwischen Stadt und Umland wird sich in den nächsten 30 Jahren erheblich verändern. In den Städten läuft man sich warm, um die neuen Herausforderungen zu bestehen.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Die Hansestadt Hamburg beispielsweise soll, so haben Kölner Wirtschaftswissenschaftler herausgefunden, bis zum Jahr 2040 um 15 Prozent mehr Einwohner haben, obwohl die Gesamtbevölkerung in deutschen Landen um ein rundes Zehntel schrumpft. Die Metropolen stellen sich auf Wachstum ein: An der Alster experimentiert man schon mit "vertikalen Einfamilienhäusern" in luftiger Höhe, in Berlin baut man "Parasiten-Häuser" samt Vorgarten auf die Dächer vorhandener Gebäude.

Immer mehr Menschen sind es satt, sich täglich unter Verbrennen teuren Benzins durch den Stau zur Arbeit zu quälen. Dazu kommen neue Anforderungen bei den Arbeitszeiten und der Flexibilität. "Die klassische räumliche Trennung zwischen Job und Privatleben wird immer weiter aufgehoben", zitiert der "Spiegel" den Soziologen Walter Siebel. Da passen lange Wege nicht mehr ins Bild.

Alterspyramide sorgt für veränderte Prioritäten

Auch der Wandel der Alterspyramide sorgt für veränderte Prioritäten. Vom "Effekt des dritten Lebensalters" spricht der Trierer Stadtplaner Johannes Weinand. So zu wohnen, dass man als fitter Senior zu Fuß in die Stadt, zum Arzt, ins Theater oder die Kneipe gehen kann, dass man am städtischen Leben teilnimmt: Das sei ein wachsender Wunsch.
Nicht nur der Wohnort, auch die Wohnform werde sich ändern, prognostiziert Weinand. Wohneinheiten, die Gemeinsamkeit und Eigenständigkeit miteinander verbinden, über das Angebot eines Hausmeisters verfügen, einfache Dienstleistungen garantieren: Das werde künftig immer mehr gefragt.

So sieht es auch der renommierte Frankfurter Architekt und Städtebauer Albert Speer. Die Städte müssten sich auf eine "geschrumpfte, gealterte und diversifizierte Gesellschaft vorbereiten", rät der Experte. Statt des bislang praktizierten sozialen Wohnungsbaus an der Peripherie, der Gettos geschaffen habe, gehe es darum, "unterschiedliche Bedürfnisse und Lebensstile in den verschiedenen Vierteln der Stadt zu ermöglichen". In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik. Die Innenstädte müssten angesichts der sich wandelnden Bedürfnisse auch "familien- und kindgerecht" gestaltet werden. Es gelte, die Vorstellung vom familienfeindlichen Stadtleben zu korrigieren. "Kompakt, urban und mobil" solle sich in den Städten leben lassen.

Die Chancen für das flache Land und die Trabanten-Vorstädte, mit der wachsenden Attraktivität der Zentren zu konkurrieren, werden gering eingeschätzt. Auch der städtebauliche Bericht, den das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im Dezember 2004 der Bundesregierung und dem Bundestag vorgelegt hat, bestätigt den Trend zur Belebung der Innenstädte. Vor allem im Osten, berichtet Markus Eltges vom BBA, seien erhebliche Abwanderungsbewegungen vom Land in die Stadt und vom Umland ins Zentrum zu verzeichnen. Im Westen sei der Trend noch nicht so stark. Aber spätestens mit dem demographischen Knick ab 2020 werde eine ähnliche Entwicklung auch in der alten Bundesrepublik einsetzen. "Was wir in den neuen Ländern erleben, können wir als Erfahrungswerte für die alten nutzen", sagt der promovierte Regionalplaner, der einst an der Uni Trier studierte. In Fachkreisen gebe es längst einen Begriff für die notwendigen Maßnahmen, erzählt Eltges: "Stadtumbau" sei angesagt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort