"Die USA sind keine Bananenrepublik"

Wie bewerten Sie die Drohungen? Handelt es sich um ein verbales Gefecht zweier selbstverliebter Machthaber oder steckt mehr dahinter?HANNS MAULL: Was Nordkorea betrifft, ist die Eskalation der Gewaltrhetorik nichts Neues. Bis in die Formulierungen hinein ähneln die Drohungen, die von Machthaber Kim Jong-un derzeit aus Pjöngjang zu hören sind, dem, was schon von seinem Vater Kim Jong-il zu hören war.

 Hanns W. Maull, Jahrgang 1947, leitete an der Uni Trier bis 2013 den Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Außenpolitik. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Sicherheitspolitik im asiatisch-pazifischen Raum und die Beziehungen Europas zu Ostasien.

Hanns W. Maull, Jahrgang 1947, leitete an der Uni Trier bis 2013 den Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Außenpolitik. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Sicherheitspolitik im asiatisch-pazifischen Raum und die Beziehungen Europas zu Ostasien.

Foto: (h_st )

Das kennen wir also gut.
Und was Trump angeht?
MAULL: Dass sich ein US-Präsident auf diese Tiraden einlässt und vor laufenden Kameras wilde Drohungen ausstößt, ohne dies vorher mit seinen Beratern abzustimmen - das ist neu und beunruhigend. Für beide Seiten muss man sich deshalb fragen: Werden die Egomanen eigentlich von ihren Stäben noch im Zaum gehalten?
Was treibt Trump an?
MAULL: Was den Präsidenten antreibt, lässt sich mit einem Wort sagen: sein überdimensioniertes und hochproblematisches Ego.
Warum wagt er einen Alleingang? Hat er seine Militärs kaltgestellt?
MAULL: Ich halte die USA nicht für eine Bananenrepublik. Trumps Berater - insbesondere die Generäle an der Spitze seines Stabs im Weißen Haus, des Nationalen Sicherheitsrates und des Verteidigungsministeriums - können von Trump nicht kaltgestellt werden. Inzwischen gibt es in Amerika eine öffentliche Diskussion darüber, wann ein Offizier folgenschwere Befehle - wie etwa den Einsatz von Atomwaffen - verweigern kann und muss, um nicht gegen die Verfassung zu verstoßen.
Droht ein Krieg?
MAULL: Das erscheint mir noch immer unwahrscheinlich, weil es dabei nur Verlierer geben könnte. Kim Jong-un versteht sicherlich, dass ein Krieg das Ende Nordkoreas und seiner Person wäre. Aber die Eskalationsrhetorik bedeutet leider auch, dass ein Krieg nicht mehr so unwahrscheinlich ist wie noch vor wenigen Wochen: Die Gefahr nimmt zu, dass die Spannungen außer Kontrolle geraten könnten.
Ist Nordkorea fähig, Langstreckenraketen bis in die USA zu schicken?
MAULL: Die letzten Tests sowie die Einschätzungen der amerikanischen und japanischen Geheimdienste sprechen dafür. Aber wie genau die Fähigkeiten Nordkoreas aussehen - ob es tatsächlich in der Lage ist, eine Atombombe zu bauen, die sich auf einer Interkontinentalrakete bis nach Amerika transportieren lässt, ohne beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre zu verglühen, und dann auch noch das anvisierte Ziel zu treffen, ohne zuvor abgeschossen zu werden: All das sind für mich offene Fragen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Nordkorea versucht, sich stärker darzustellen, als es ist.
Verfügt Nordkorea über ein bedeutsames Atomwaffenarsenal? Wie bedrohlich ist das?
MAULL: Auch hier gibt es nur Vermutungen, keine bestätigten Tatsachen. Unabhängige Experten gehen davon aus, dass Nordkorea über 15 bis 25 atomare Sprengsätze verfügen könnte, einer der amerikanischen Geheimdienste ließ letzte Woche verlauten, man habe die Zahl unterschätzt und gehe nun von bis zu 60 Atombomben aus. Sicher ist: Nordkorea besitzt und produziert genug spaltbares Material, um einige Atomwaffen herzustellen, und es hat bereits einige Sprengsätze getestet.
Wie ist zu bewerten, dass Trump angekündigt hat, die Raketenabwehr aufzustocken, und gesagt hat, dass das Atomwaffenarsenal in einem guten Zustand sei?
MAULL: Das sind Prahlereien. Die US-Raketenabwehr haben bereits seine Vorgänger aufgebaut. Sie auszubauen würde viel Zeit und politische Unterstützung brauchen. Und was die Atomwaffen anbelangt: Das Einzige, was Trump geleistet hat, war, eine Studie in Auftrag zu geben, um den Zustand des Arsenals zu überprüfen. Der Bericht steht noch aus - vermutlich auch deshalb, weil dieser Präsident viel zu wenige Mitarbeiter hat. Bernd Wientjes

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