Die Union beobachtet die Lage genau

Ganz so gelassen, wie die CDU-Strategen gestern taten, war man in Wahrheit nicht: Angesichts der SPD-Krise liefen auch bei der Union die Telefone heiß.

Berlin. Mehrfach sprach CDU-Chefin Angela Merkel mit ihrem Generalsekretär Ronald Pofalla; der wiederum schloss sich mit den wichtigsten Präsidiumsmitgliedern kurz, die zugleich untereinander die Lage debattierten. Gestern Morgen schließlich folgte um 8.30 Uhr eine außerplanmäßige Schaltkonferenz des CDU-Präsidiums, in der man die Situation der SPD nach dem turbulenten Führungswechsel ausgiebig analysierte. Niemand stellte dabei den Fortbestand der Großen Koalition in Berlin infrage - man legte aber fest, woran man den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier in nächster Zeit messen will.

Obwohl Pofalla noch damit kokettierte, er sei zwischendurch eine Stunde im Wald joggen gewesen, die Entwicklungen beim Koalitionspartner wurden genau verfolgt. Dass Steinmeier Kanzlerkandidat werden würde, damit hatte man gerechnet, darauf war man gefasst, nicht aber, dass Kurt Beck den Vorsitz hinschmeißen würde. "Ein Wahlkampf gegen einen ramponierten Beck wäre einfacher geworden", räumte ein Führungsmitglied ein. Fürchten muss Merkel den Kandidaten nicht, auch nicht den neuen und alten SPD-Chef Franz Müntefering: "Wir kennen uns mittlerweile ja recht gut", meinte sie etwas süffisant. Die Kanzlerin weiß, wie Müntefering und Steinmeier ticken, was mit ihnen geht und was nicht. Und nach drei Jahren im Amt ist sie selber deutlich souveräner und selbstbewusster geworden. Fest im Griff hat sie überdies ihre CDU. Es gibt derzeit niemanden, der ihr gefährlich werden könnte.

Auch Merkel und Steinmeier führten am Wochenende ein Telefonat, bei dem der Außenminister die Kanzlerin über seine Nominierung informierte. Beide versprachen sich einen fairen und "kurzen, spannenden Wahlkampf". So lange wie möglich wolle man sachliche Regierungsarbeit leisten, versicherten sich die Amtsinhaberin und ihr Her-ausforderer. Die Chancen dafür stehen gut: Das Verhältnis von Merkel und Steinmeier gilt als frei von Eitelkeiten, beide treffen sich vor jeder Kabinettssitzung zum Meinungsaustausch, man telefoniert häufig. Die Umstände der Kür des SPD-Kanzlerkandidaten seien allerdings "der Würde einer Volkspartei eigentlich nicht entsprechend" gewesen, kritisierte Merkel öffentlich. Steinmeier müsse sein "lautes Schweigen" nun aufgeben, formulierte CDU-General Pofalla die Erwartungen der Union an den Kandidaten. Sein "Lackmustest" sei, die Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei in Hessen und in der Bundesversammlung zu stoppen. Zugleich solle Steinmeier deutlich machen, ob die Agenda 2010 noch gelte oder nicht, verlangte Pofalla.

Vor allem will die Union aber eines: abwarten und zuschauen, wie es in der SPD weitergeht. "Da bleibt Musik drin", glaubt ein Christdemokrat. Weiter anheizen will man die Krise beim Koalitionspartner jedoch nicht, aus Sorge, dass sie auf die Union durchschlagen könnte.

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