"Die Wahl ist noch nicht gewonnen"

Berlin. Das Wahlprogramm der Union stößt nicht nur auf Zustimmung, sondern auch auf zum Teil harte Kritik in der Bevölkerung. Doch noch sieht Norbert Röttgen (40), Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag und enger Vertrauter von Kanzlerkandidatin Angela Merkel, keinen Grund zur Nachbesserung.

Es gibt Lob, aber auch Kritik am Wahlprogramm der Union. Muss an diesem Papier doch nachgebessert werden?Röttgen: Wir sind natürlich grundsätzlich immer lern- oder veränderungsbereit. Ich habe aber noch keinen Vorschlag oder irgendeine Kritik gehört, die eine Nachbesserung zwingend erforderlich machen würde.Gilt dies auch für das Thema neue Bundesländer, für die Kanzlerkandidatin Merkel am Mittwoch plötzlich eine spezielle Wahlkampfstrategie angekündigt hat?Röttgen: Unsere Kernbotschaft lautet unmissverständlich, dass wir die Rahmenbedingungen für Arbeit in Deutschland verbessern müssen. Und dass wir durch einen neuen Stil der Ehrlichkeit neues Vertrauen aufbauen wollen. Das betrifft natürlich ganz stark jene Teile unseres Landes, in denen besonders hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Aber ich räume gerne ein, dass wir da auf Grundlage unseres Programms noch eine gewaltige Kommunikationsarbeit leisten müssen, damit unser Gesamtkonzept von allen umfassend verstanden wird. Das gilt ganz besonders auch für die neuen Bundesländer. Die Linkspartei legt laut Umfragen weiter zu. Muss man sich mit ihr nicht anders auseinandersetzen als bisher? Röttgen: Am Ende wird es entscheidend sein, ob die Menschen tatsächlich glauben, die großen Probleme des Landes ließen sich mit billiger Stimmungsmache, wie sie PDS und Lafontaine betreiben, lösen. Wir dagegen reden ungeschminkt über die tatsächliche Lage und stellen ein ehrliches Lösungskonzept vor, an dem wir auch nach der Wahl festhalten werden. Die Linkspartei setzt im Übrigen auf Methoden und Personen, die in diesem Land bereits mehrfach gescheitert sind.Die Union baut in Meinungsumfragen ab. Sie lag mal bei 52 Prozent. Jetzt vermelden die Demoskopen noch 44 Prozent. Ist die schwarz-gelbe Mehrheit bald futsch?Röttgen: Zusammen mit der FDP liegen wir heute bei gut 50 Prozent. Das sollte uns eigentlich zuversichtlich stimmen. Wir haben Zutrauen zu den Bürgern. Und wir werden uns im Wahlkampf darum bemühen, dass sie mehr Zutrauen zu uns entwickeln. Meinungsumfragen sind doch nur Momentaufnahmen und sagen wenig über den tatsächlichen Wahltag aus. Dennoch warne ich jeden in der Union davor, zu glauben, die Wahl sei bereits gewonnen. Die Gewerkschaften laufen Sturm gegen Teile ihres Programms, etwa die geplante Möglichkeit von Haustarifverträgen oder die beabsichtigten Kürzungen bei Sonn- und Feiertagszuschlägen. Aber auch die Arbeitgeber sind nicht zufrieden. Ihnen ist Merkels Programm zu zahn- und mutlos. Wie kommen Sie mit diesem Kritik-Spagat klar? Röttgen: Wir haben ein Programm der Mitte vorgelegt. Und jetzt brauchen wir einen langen Reform-Atem über viele Jahre, damit der Kurswechsel in der Sache auch funktioniert. Gelingen kann er uns nur dann, wenn die Bevölkerung an unserer Seite steht und wenn wir den organisierten Egoismus in Gesellschaft und Politik überwinden. Alles muss dem Ziel dienen, die Bedingungen für Arbeitsplätze zu verbessern. Was passiert, wenn der Bundespräsident heute oder morgen entgegen allen Erwartungen Nein zu einer Neuwahl sagt?Röttgen: Dann ist dies zu respektieren. Aber auch bei einer solchen Entscheidung würde die rot-grüne Bundesregierung nicht wieder regierungsfähig werden.dDie Fragen stellte unser Korrespondent Friedhelm Fiedler.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort