"Die Welt vergisst den Tsunami"

Trier/Fukushima · Der eine ist Umweltaktivist mit engen Beziehungen nach Japan, der andere war als Vorsitzender der deutsch-japanischen Gesellschaft Trier im Katastrophengebiet. Johann Aubart und Richard Pestemer schildern, wie sie das große Unglück erlebt haben.

Trier/Fukushima. "Fukushima ist schlimm", sagt Johann Aubart. "Aber die Welt vergisst darüber, dass in Japan durch den Tsunami mehr als 20 000 Menschen gestorben sind." Schon rund 70 Mal war der Vorsitzende der deutsch-japanischen Gesellschaft Trier in Japan. Hat Urlaub gemacht in den schönen Küstendörfern, die es nun nicht mehr gibt.
Als er im Mai 2011 mit Hilfsgeld im Gepäck in das Katastrophengebiet reiste, bot sich ihm ein Bild der Zerstörung. "Die Menschen hatten keine Chance", sagt er, während vor seinem inneren Auge die Bilder der haushohen Flutwelle auftauchen, die innerhalb weniger Minuten die Lebensgrundlage Hunderttausender Menschen zerstörte. Tief getroffen hat ihn, zu sehen, wie Tausende Flutopfer behelfsweise in einer großen Halle lebten. "Kein Licht, kein Wasser, keine Toiletten", sagt er. Und schmerzhaft war die Frage, was aus den Kindern wurde, deren Schühchen, Roller oder Handklaviere zwischen den Trümmern lagen. Und dann die Alten, die mit leerem Blick vor ihren zerstörten Häusern saßen.
Bilder wie diese lösten eine große Spendenbereitschaft aus. Allein Aubarts Gesellschaft konnte seinen Angaben zufolge 144 000 Euro sammeln. Damit finanzierte sie Hilfspakete für japanische Kinder und eine Gesellschaft, die den Menschen in den Notunterkünften bei Bedarf Autos zur Verfügung stellt. In wenigen Wochen reist Aubart wieder in das Unglücksgebiet, diesmal mit 10 000 Euro Spendengeld. Und er findet, man müsste weitermachen. Und vor allem überhaupt mal wieder darüber sprechen, was dieser Tsunami angerichtet hat.
Auch der Bürgermeister von Neunkirchen (VG Thalfang am Erbeskopf), Richard Pestemer, reist regelmäßig nach Japan. Er hat nach eigenen Angaben mehrere Jahre für eine japanische Nachrichtenagentur gearbeitet und hat enge Kontakte zur Antiatomkraft- und Umweltbewegung in Japan. So schlimm die Katastrophe war, habe sie dennoch ein "kleines Wunder" bewirkt, sagt Pestemer. Denn erst seitdem sei eine kritische Einstellung zur Atomkraft in Japan salonfähig geworden. Früher sei das hauptsächlich ein Thema der Sozialisten und Kommunisten gewesen. Pestemer beobachtet ein Einlenken der japanischen Regierung: "Die japanische Regierung hat ja auch reagiert und lässt viele Atomkraftwerke überprüfen. In dieser Zeit liefern sie keinen Strom in die Netze, derzeit sind nur zwei von 54 japanischen Atomkraftwerken am Netz. Trotzdem geht das Leben weiter. Auch wenn die Klimaanlage heruntergedreht werden muss oder Leuchtreklamen aus bleiben."
Sogar in anderen Ländern erfolge ein Umdenken, erläutert Pestemer: "Auch in Frankreich denkt man um. Dort ist das ein wichtiger Punkt im Wahlkampf. Frankreich war mit seiner atomkraftfreundlichen Haltung immer eine Schutzburg der Atomkraftbefürworter." Die Denkwende in Japan trage erste Früchte: "So gibt es zum Beispiel eine deutsch-japanische Konferenz über erneuerbare Energien. Japan hat sich von seinem alten Partner Frankreich, was Energiekonzepte betrifft, abgewendet." kah/hpl

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