Die Welt wird alt und dann wieder jünger

Die Menschen werden immer älter, die Weltbevölkerung nimmt weiter zu. Die Welt steht vor einem dramatischen demografischen Wandel. Wie geht Deutschland mit dieser Herausforderung um?

Berlin. Demografieforscher können die Zukunft vorhersagen, weil ihre Datenbasis die Zahl der heute lebenden Menschen und ihre Lebenserwartung ist. Damit lässt sich zum Beispiel hochrechnen, dass die Erdbevölkerung mit neun Milliarden Menschen im Jahr 2050 ihren Höhepunkt erreichen wird. Danach, so der Rostocker Demografie-Forscher James Vaupel, geht es wieder abwärts. Die Lebenserwartung steigt seit langem pro Dekade um 2,5 Jahre. Linear. Es gibt keinen Grund, sagt Vaupel, dass es nicht so weiter geht. Von heute 86 Jahre (Frauen) auf 96 Jahre in 2050. Nicht nur deshalb wird die Welt zur Jahrhundertmitte wesentlich älter sein als heute. Wie in Deutschland (1,3 Geburten pro Frau) ist in ganz Europa, in Russland, Indien und China die aktuell geborene Generation zahlenmäßig um rund ein Drittel kleiner als die vorherige. In der Konsequenz wird 2050 nur noch die Hälfte der Weltbevölkerung im arbeitsfähigen Alter sein. Sie muss die andere Hälfte mit durchfüttern, die vielen Alten (35 Prozent) und die wenigen Jungen (15 Prozent). Auch China wird dann ein massives Demografieproblem haben. "Die globale Alterung wird alles verändern", sagt Vaupel. Eine Tagung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik hat sich kürzlich im Beisein von Innenminister Wolfgang Schäuble mit der Thematik beschäftigt. Das Problem: Es gibt auch gegenläufige Tendenzen. Verjüngung. Sie findet vor allem in Afrika statt, das sich bis 2050 auf zwei Milliarden Einwohner verdoppeln wird. Ausgerechnet die ärmsten Länder der Sahel-Zone, dazu noch arabische und vorderasiatische Staaten, haben Geburtenraten von über fünf Kindern pro Frau. Pakistan wird in 42 Jahren so viele Einwohner haben, wie heute die USA, über 300 Millionen. Der "Jugend-Überhang" ist politischer Sprengstoff, wie der Osloer Friedensforscher Henrik Urdal schildert. Heerscharen junger Leute ohne Job, "zornige junge Männer", die anfällig sind für Radikalisierung. 80 Prozent aller Bürgerkriege der letzten 30 Jahre fanden in Ländern mit starkem Jugend-Überhang statt. Die sicherheitspolitischen Konsequenzen sind massiv. Wanderungsbewegungen gehören dazu, vor allem nach Europa und in die USA. Dort die Gefahr von Parallelgesellschaften und Unruhen. Die terroristische Bedrohung wächst, weil in noch mehr Staaten die Ordnung zerfällt. Die globale Machtverteilung gerät ins Wanken. Deutschland wird wie alle europäischen Staaten Schwierigkeiten haben, überhaupt noch genügend Soldaten für die Streitkräfte zu finden. Und zu all dem kommen globale Probleme wie der Klimawandel und die Konkurrenz um Wasser und Energie hinzu, die zu regionalen Konflikten führen können. Antworten gab es naturgemäß nicht auf der Tagung, aber Hinweise. Zum Beispiel den des Kieler Politikwissenschaftlers Joachim Krause, dass auch Europa nach der Industrialisierung durch all diese Entwicklungen gegangen ist, solange der Wohlstand nur wenigen zugute kam. Dort, wo die Marktwirtschaft der ganzen Bevölkerung nutze, gebe es eine stabile Entwicklung. Krause riet, mit diesen Ländern die Kooperation zu suchen. Selbst in diesem positiven Fall bleiben aber noch vier Milliarden Menschen übrig, für die es 2050 keine Perspektive gibt - falls diese Entwicklung nicht durch konzentrierte Hilfe vorher gestoppt wird.

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