Die britische Queen im "swinging" Berlin

Berlin. Königliche Gefühle am Dienstag in Berlin, trotz des grauen Novemberhimmels. Die britische Queen ist zum vierten Mal zum Staatsbesuch in Deutschland, und vermutlich wird es auch ihr letzter sein.

Die 78-jährige Monarchin pflegt nur alle zwölf bis 15 Jahre in das Land zu kommen, aus dessen adeligen Kreisen so mancher königliche Vorfahr stammt, vor allem aus dem Hause derer zu Sachsen-Coburg-Gotha. Dass Elizabeth II. auch noch mit über 90 den Stress einer Reise auf sich nehmen würde, gilt als unwahrscheinlich. Wie es sich geziemt bei solch einem hohen Gast, wurde auf dem Tegeler Flughafen Salut gefeuert, bevor es mit Eskorte im Bentley zum Schloss Charlottenburg ging, wo ein sichtlich stolzer Bundespräsident Horst Köhler die Monarchin mit militärischen Ehren empfing. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war das von Londoner Boulevardblättern angezettelte Palaver um eine Entschuldigung für die britischen Bomben auf Dresden 1944 kein Thema mehr. Zahlreiche Zaungäste und eine unbekannte Zahl von Fernsehzuschauern wollten einfach nur das "Ereignis Queen" erleben, schauen, was sie trägt (einen mintgrünen Mantel mit passendem Hut), wie sie guckt (entspannt, interessiert), und welche Zeremonien bei einem Staatsbesuch so ablaufen. Der erste Tag der dreitägigen Visite war, was ihre Gastgeber betraf, leicht politisch geprägt, obwohl sich die Queen als pure Repräsentantin des Commonwealth aus der Politik grundsätzlich heraus zu halten hat. Tatsächlich ist in ihrem 52-jährigen Regiment auch kein Kommentar zu irgendeinem politischen Sachverhalt überliefert, ein klares Indiz für ihre sagenhafte Disziplin. Entsprechend kurz (jeweils rund 15 Minuten) waren auch die Gespräche mit Bundespräsident Köhler und wenig später mit Bundeskanzler Gerhard Schröder im Kanzleramt. Zu solchen Anlässen pflegt man Freundlichkeiten auszutauschen, die Königin mag es nett und höflich. Diese Tugend ließ der Kanzler für einen kurzen Moment vermissen, denn als er mitsamt Queen und Prinz Philipp zum Treffen mit deutschen und britischen Jugendlichen ins Foyer des Amtes schritt, schüttelte er allen Schülern forsch die Hand, ohne Elizabeth den Vortritt zu lassen. Die Mutter aller Königinnen ließ sich aber nichts anmerken und absolvierte in gewohnter Gemütsruhe ihr Pensum: Handshakes (mit Handschuhen), ein bisschen Smalltalk hier und dort, stets garniert mit einem souveränen Lächeln, das auch nach jahrzehntelanger Praxis überhaupt nicht angestrengt wirkt. Dann wurde sie von zwei Schülern in Klimaschutz unterwiesen, und durfte einen Globus und Bilder betrachten, auf dem die Auswirkungen der Umweltverschmutzung dargestellt waren. Und weil so ein Staatsbesuch keine Vergnügungsreise ist, ging es gleich weiter im Programm: Kranzniederlegung für Kriegsopfer an der Alten Wache "Unter den Linden", danach ein bisschen frisch machen in der Präsidentensuite ihrer Nobelherberge "Hotel Adlon", schließlich das Festbankett beim Bundespräsidenten im historischen Zeughaus. Die Einladungen dazu waren heiß begehrt in der Berliner Society, aber nur 250 Glückliche aus Politik, Gesellschaft und Kultur durften sich rühmen, gemeinsam mit der britischen Königin getafelt zu haben. Wichtiger als das Essen waren allerdings die staatstragenden Worte, die dabei gewechselt wurden: Die Königin und der Präsident sprachen sich gegen falsche Vorstellungen über das jeweils andere Land aus und betonten die engen Verbindungen zwischen Großbritannien und Deutschland. Insbesondere würdigte Köhler die großen Verdienste der Queen für die Versöhnung beider Nationen nach dem Krieg. Jedoch wüssten die Menschen diesseits und jenseits des Ärmelkanals noch immer zuwenig voneinander, "und daran müssen wir noch arbeiten". Und dann warb der Präsident noch für sein Land: Früher sei in Europa nur London "swinging" gewesen. "Ich finde, heute swingt auch Berlin". Beim Besuch am Donnerstag in Düsseldorf wird den königlichen Gaumen übrigens ein Genuss aus der Region Trier erfreuen: Zum Empfang im Landtag wird ein Riesling aus Enkirch vom Weingut Caspari-Kappel gereicht.

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