Die diskrete Macht der Gönner

TRIER. Die Stiftungen in Deutschland melden enorme Zuwachsraten bei den Neugründungen. Das geht aus den Zahlen hervor, die bei einer Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung des Bundesverbandes deutscher Stiftungen in Trier vorgelegt wurden.

Danach sind allein in den letzten vier Jahren annähernd so viele Stiftungen errichtet worden wie in den gesamten Neunzigern. Noch deutlicher wird der Langzeit-Vergleich: Über 3000 Neugründungen seit 2000, das sind mehr als in den drei Jahrzehnten von 1960 bis 1989 insgesamt. "Wir bewegen uns auf einem wachsenden Markt", sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes, Christoph Mecking. Er wertet den Boom als "eindrucksvolles Zeichen für die wachsende Bedeutung der Stiftungen im Gemeinschaftsleben". Welches Kapital die 1000 Stiftungen repräsentieren, die sich in Trier treffen, kann Mecking allenfalls schätzen. Eine zweistellige Milliardensumme werde es "schon sein", vermutet er. Wertet man die aktuellen Zahlen aus, dürften 50 Milliarden Euro der Realität nahe kommen. Allein die 15 größten Privatstiftungen in Deutschland verfügen über eine Kapitaldecke von 17,5 Milliarden Euro und bringen jährlich eine halbe Milliarde aus ihren Erträgen unters bedürftige Volk. Je nach Gusto des Stifters werden dabei Wissenschaft, Gesundheit, Soziales oder Kultur gefördert. Aber längst ist es nicht mehr überall die diskrete Macht der Gönner, die über die Verwendung bestimmt. Der Trend geht zur "Bürgerstiftung", bei der auch kleinere Vermögen gefragt sind und die Spender demokratisch mitbestimmen können, wofür die Erträge verwendet werden. 63 solcher neuen Einrichtungen gibt es inzwischen, vom Erfolgsmodell Dresden, wo man beachtliches Kapital sammelte, bis zur Start-up-Stiftung in Trier, die dieser Tage mit bescheidenem Grundstock beginnt. Sie bilden den Gegenpol zum klassischen Stiftungs-Klischee vom millionenschweren Unternehmensboss, der unbedingt seinen Namen verewigt sehen will. Fast zwei Drittel aller Stiftungen, betont Mecking, verfügten über einen Kapitalstock von weniger als 500 000 Euro. Inzwischen haben auch die Kommunen den Trend aufgegriffen und gründen eigene Stiftungen, um die öffentlichen Kassen zu entlasten. Nicht unproblematisch, konkurrieren sie doch mit "echten" Privatstiftungen um die Geldgeber. Beim Trierer Kongress soll der Versuch unternommen werden, Grundsätze für kommunale Stiftungen zu erarbeiten.Immer mehr Interessenten drängen auf Stiftungsmarkt

Doch nicht nur Städte und Gemeinden drängen auf den Stiftungsmarkt. Immer mehr soziale und kulturelle Einrichtungen erwägen, statt des Fördervereins eine Stiftung zu gründen. Verständlich, meint Geschäftsführer Mecking, schließlich sei das steuerlich günstiger und klinge seriöser. Ob solche Stiftungen eine Chance hätten, entscheide "letztlich der Bürger". Vom Bundeskanzler, dessen Visite als Hauptredner am Freitag die gewachsene Bedeutung der Stiftungen unterstreicht, erhofft sich der Bundesverband weitere Impulse, "um die Menschen zum Stiften einzuladen". Dazu gehöre das Steuerrecht, aber auch die "Entrümpelung des Stiftungsrechts". Hier gehe das Land Rheinland-Pfalz zurzeit beispielhaft voran, attestiert Mecking. Das wird Ministerpräsident Kurt Beck gerne hören, der gestern Abend zu einem Empfang der Landesregierung einlud. Die Stiftungsvertreter aus der ganzen Republik nutzten diese erste Möglichkeit, um das zu tun, was Mecking als Hauptziel der Tagung nannte: "Kontakt suchen, Informationen austauschen, Projekte anstoßen."

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