"Die machen da drüben sehr wilde Sachen"

Trier · Trierer Professoren sehen Trumps Politik kritisch.

Was ist von einem Präsidenten zu halten, der via Twitter poltert, schimpft und droht, der militärische Muskelspiele mag, seine Haltung wechselt wie Golfschläger, Fakten verdreht, bis sie ihm passen und sein Land bei allem an allererste Stelle stellt? Ist er eine Gefahr oder eine Chance für Europa?

Dieser Frage sind vier Trierer Wissenschaftler am Mittwochabend während einer Podiumsdiskussion an der Universität Trier nachgegangen. Und ihre Antwort lautet: beides. "Eine Herausforderung" nennt Manuel Fröhlich, Professor für internationale Beziehungen und Außenpolitik, Trump.

Fröhlich hatte kurz nach der Wahl befürchtet, dass die Würde des Präsidentenamtes in Gefahr gerät - und sieht sich bestätigt. Was sich in der amerikanischen Außenpolitik geändert hat, beschreibt er eindrücklich am Beispiel der berühmten Vier-Freiheiten-Rede des 32. US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt. Eine Rede, die den Grundstein für das US-Engagement im Zweiten Weltkrieg legte. Roosevelt erklärt darin, für welche Freiheiten es zu kämpfen lohnt:Erstens: die Redefreiheit. "Trump hingegen deklariert, einen Krieg gegen die Medien zu führen", sagt Fröhlich.Zweitens: die Religionsfreiheit. Auch da zeige Trump gewisse Differenzen, sagt Fröhlich in Anspielung auf dessen Vorbehalte gegen den Islam.Drittens: die Freiheit von Not. Trump hingegen wolle bei den freiwilligen Zahlungen an internationale Organisationen massiv sparen. So plane er, 40 Prozent der Ausgaben für die Uno-Flüchtlingshilfe zu streichen. "Das wird eine akute humanitäre Krise verschlimmern", sagt Fröhlich.Viertens: die Freiheit vor Furcht. Roosevelt plädierte für Abrüstung. Trump hingegen will die Verteidigungsausgaben um 54 Milliarden Dollar anheben.Nicht nur durch Impulsivität sei Trumps Kommunikation gekennzeichnet, sondern auch durch "deutliche Inkompetenz": Den Irak verwechselt er mit Syrien, Juncker mit Tusk und der Flugzeugträger, mit dem er Nordkorea droht, schippert erstmal Richtung Australien.

In einem Punkt könnte Trump sich allerdings als typischer US-Präsident entpuppen: Sie flüchten gerne in die Außenpolitik, wenn es im Inneren nicht klappt. Das passe gut zur Persönlichkeitsstruktur Trumps, findet Fröhlich. Angesichts der Probleme, die der Präsident mit Obamacare oder den gescheiterten Einreisestopps hat, rechnet er damit, dass diese Flucht schon früh zu beobachten sein wird.

Was aber bedeutet all das für die EU? Xenia Matschke, Professorin für internationale Wirtschaftspolitik, geht davon aus, dass der Druck auf die EU steigt und damit die Notwendigkeit, Dinge selbst zu regeln. "Die USA wird in der nächsten Zeit kein zuverlässiger Partner sein, der als Mediator einspringt." Das sei aber auch eine Chance - muss die EU doch selbstständiger agieren und Probleme eigenständig lösen.

Wie Joachim Schild, Professor für vergleichende Regierungslehre, betont, trifft das insbesondere auf Klima- und Verteidigungspolitik zu. "Es war für viele ein Schock, dass Trump die Nato so schnell infrage gestellt hat", sagt Schild. Da aber nicht alle EU-Länder in gleichem Maße bereit seien, die eigenständige Verteidigung auszubauen, werde es zu einem Differenzierungsprozess kommen. Dass Trump, der den Brexit zunächst als "großartige Sache" bezeichnete, die EU inzwischen doch gut findet, nennt Schild einen Lernprozess. Die USA brauche Verbündete und die EU zähle sicher dazu.

Fröhlich und Schild sehen eine Chance darin, dass die USA unter Trump aufhören, für Werte wie Menschenrechte, Rüstungskontrolle oder Klimaschutz zu stehen. Eine "ideelle Leerstelle", die gefüllt werden müsse. "Das bedeutet sehr viel Soft-Power für die EU", sagt Schild.

Einen sehr kritischen Blick auf Trumps Finanzpolitik wirft Christian Bauer, Experte für monetäre Ökonomik. Nach dem Banken-Crash wurde der "Dodd-Frank Act" erlassen, um eine neue Krise zu verhindern. Trump hält ihn für ein Desaster und strebt eine Deregulierung der Finanzmärkte an. Seine Begründung im Wahlkampf: Er habe Freunde, die schöne Geschäfte tätigten und die wegen dieses blöden Gesetzes keine Kredite mehr bekämen. "Da fehlen einem die Worte", sagt Bauer, der keinerlei ökonomische Gründe sieht, das System zu ändern. Sein Fazit: "Die machen da drüben sehr wilde Sachen und wir können höchstens daraus lernen."

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