"Die müssen einen an der Klatsche haben"

TRIER. Noch nie war die Steuerpolitik ein derart heiß diskutiertes Wahlkampfthema wie vor der Bundestagswahl 2005. Kein Wunder, dass es auch beim TV-Forum zum Thema Steuern stellenweise hitzig zuging.

Bisweilen beklagen sich die Bürger darüber, dass man die Programme der politischen Parteien kaum unterscheiden könne. Aber in Sachen Steuern könnten die Positionen kaum unterschiedlicher sein."Die Chance auf Veränderungen war noch nie so groß", sagt Hans-Joachim Vanscheidt vom Bund der Steuerzahler und freut sich über die "vielen Reform-Konzepte", die auf dem Tisch liegen. Seine Vereinigung, die viele Mittelständler vertritt, fordert vehement weitere Steuerentlastungen. Für die sieht SPD-Finanzpolitiker Karl Diller freilich keinen Spielraum. Seine Regierung habe ohnehin die niedrigste Steuerquote aller Zeiten geschaffen, nur 20 Prozent statt früher 23 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts sacke der Staat ein. Mehr sei nicht drin, wer weiter entlasten wolle, müsse zwingend mit zusätzlichen Steuer-Einnahmen an anderer Stelle gegenfinanzieren.

"Sie reden immer nur von der Vergangenheit, statt zu akzeptieren, dass es so eben nicht funktioniert", fährt Kontrahent Bernhard Kaster dazwischen. Zu viele Steuer-Schlupflöcher, zu viele "Klein-Klein"-Reformen hält er der Regierung vor. Weitere Entlastungen seien dringend nötig. Auf die schnelle Gegenfrage Dillers, wo der Staat denn angesichts der dann zu erwartenden Einnahmenausfälle sparen solle, bleibt die ganz konkrete Antwort allerdings aus.

"Das Geld besser im Betrieb investieren"

FDP-Kandidat Christoph Pitsch ist da schon etwas bekenntnisfreudiger. Er will "ran an die Privilegien", die Steuer-Subventionen für Landwirte, Pendler, Nachtarbeiter. Die seien zwar "über Jahrzehnte aufgebaut worden", hätten aber heute oft keinen Sinn mehr. Und noch ein riesiges Spar-Potenzial hat der Liberale ausgemacht: Die Zahlungen an die Bundesagentur für Arbeit und deren Förder- und Eingliederungsprogramme. Die brächten sowieso nicht viel, glaubt Pitsch.

TV-Leser Rudolf Dahm breitet derweil das ganze Füllhorn des geplagten Mittelständlers in Sachen Bürokratie und Abgaben aus. Nicht nur das Finanzamt wolle sein Geld - und das lange, bevor die Kunden überhaupt bezahlt haben -, auch Berufsgenossenschaften, Kammern und Kassen stünden Schlange. Er nennt konkrete Beispiele für absurde Abgaben ("Meine Frau sagt immer: Die müssen einen an der Klatsche haben"), ärgert sich: "Das Geld könnten wir viel besser in unseren Betrieb investieren." Sein klagender Blick gilt Karl Diller, aber der zieht erst einmal ein halbes Dutzend Maßnahmen aus der Kladde, mit denen man Mittelständler wie Rudolf Dahm in den letzten Jahren entlastet habe. Und bei einem beträchtlichen Teil der teuren Bürokratie sei nicht der Staat Verursacher, sondern "Tarifpartner und Selbstverwaltung".

Doch der Experte vom Steuerzahlerbund lässt das so nicht stehen. Der Staat könne sehr wohl bei Bürokratie und eigenen Personalkosten sparen, sagt Hans-Joachim Vanscheidt. Und damit nicht nur die Bürger von unnötigem Ballast befreien, sondern auch noch die Mittel für weitere finanzielle Entlastungen frei machen.

In diese Kerbe schlägt auch Bernhard Kaster. Entbürokratisierung und Entlastung von Bürgern und Betrieben brächten "doppelte Dividende", denn sie wirkten sich auch belebend auf Konjunktur und Arbeitsmarkt aus.

Bei der Mehrwertsteuer wechseln die Koalitionen

Fast sieht es nach einer ganz großen Koalition "Alle gegen Diller" aus, da kommt das Stichwort Mehrwertsteuer-Erhöhung in die Debatte. Und schon ist es Bernhard Kaster, der allein im Regen steht. Es sei halt eine Kröte, die man angesichts der maroden Finanzlage der öffentlichen Haushalte schlucken müsse, sagt der Christdemokrat.

Da ist er bei TV-Leser Dahm an den Falschen geraten. Empört zieht der Malermeister eine E-Mail aus der Tasche, die er an Angela Merkel geschickt hat. Der Dahm'sche Familienrat, der ursprünglich beschlossen habe, die Kanzlerkandidatin zu unterstützen, habe sich inzwischen eines anderen besonnen, schreibt er an die CDU-Zentrale. Und weiter: "Wir wählen niemanden, der die Mehrwertsteuer erhöht."

Da lächelt Karl Diller maliziös und schiebt noch ein paar Zahlen hinterher, unterstützt vom Steuerzahler-Experten Vanscheidt. Gelinge es den Unternehmen nicht, die Erhöhung um zwei Prozent-punkte an den Kunden weiterzureichen, werde es Umsatzverluste geben - und damit weniger Geld aus der Steueranhebung als kalkuliert. Das Geld aber habe Merkel laut Konzept längst ausgegeben, für die Senkung der Lohnnebenkosten. Im Ergebnis bleibe eine dramatische Einnahmelücke im Milliardenhöhe.

Die Mehrwertsteuererhöhung juckt auch die FDP. "Sie treibt die Schwarzarbeit an", fürchtet Christoph Pitsch. "Kein Wunder", sagt Rudolf Dahm, "wenn ich meiner Kundschaft die Rechnung zeige, und fast ein Fünftel geht für diese Steuer drauf".

Bei der langfristigen Perspektive für das bundesdeutsche Steuerrecht sehen die Meinungs-Koalitionen in der TV-Wahlforumsrunde wieder anders aus. Karl Diller bekräftigt noch einmal die Grundlinie seiner Regierung, nach der die Möglichkeiten der Steuer-Entlastung ausgereizt sind. "Schließlich muss der Staat seine Aufgaben noch erfüllen können", sagt er. Feinkorrekturen am Steuersystem ja, aber keine Radikalkur Marke Kirchhof: "Das würde die Staatsfinanzen ruinieren."

Sehnsucht nach Transparenz

Man habe über Steuerreform und Steuervereinfachung in den letzten Jahren "zwar viel geredet, aber wenig getan", meint dagegen FDP-Kandidat Pitsch. Jetzt gebe es die Chance, zum großen Wurf auszuholen, "mit der Leuchtfigur Kirchhof, die wir der CDU gar nicht zugetraut haben". Auch Bernhard Kaster spricht von der "Sehnsucht der Bürger nach einem transparenten, klaren, nachvollziehbaren Steuergesetzbuch", wie es Kirchhof vorgeschlagen habe. Das sei "sozialverträglich und familienfreundlich machbar".

Es gehe nicht nur um Geld, sondern auch um Arbeitsabläufe, mahnt schließlich Hans-Joachim Vanscheidt. In Sachen Steuern seien auch "Verfahrenserleichterungen dringend notwendig". Man müsse die Finanzverwaltung "immer wieder zur Vereinfachung der Formulare anhalten".

So sieht es auch Leser Rudolf Dahm. In einem Punkt bleibt der 66-Jährige aber skeptisch: Die legendäre Steuererklärung auf dem Bierdeckel werde er "wohl nicht mehr erleben".

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