Die neuen Väter

TRIER. Viel ist zurzeit von den so genannten "neuen Vätern" die Rede. Das Selbstverständnis von Vatersein hat sich in den letzten beiden Generationen stark geändert.

"Den Kinderwagen schieben? Niemals", erinnert sich Josef Berens, 68, an die Zeit, als seine drei Kinder noch klein waren. Der Männlichkeitspfeiler wäre eingebrochen, hätte Josef Berens Windeln gewechselt oder Brei gekocht. Heute schiebt er stolz die Babykutsche mit seinem Enkel Lars. Die Zeiten haben sich geändert. Väter mit Tragetüchern oder Kinderwagen schiebende Männer gehören heute ganz selbstverständlich zum Stadtbild. "90 Prozent der Männer erleben die Geburt ihres Kindes im Kreißsaal mit", weiß "Väterexperte" Thomas Gesterkamp. In den 50er-Jahren waren es gerade mal zehn Prozent der frisch gebackenen Väter, die ihrer Frau während den Wehen zur Seite standen. Die meisten Männer feierten die Ankunft des Nachwuchses in feucht fröhlicher Runde im Gasthaus. In der Veränderung des männlichen Identitätskonzeptes sieht Gesterkamp den Grund, dass Männer immer mehr an Schwangerschaft, Geburt und Erziehung beteiligt sind und sein wollen. "Männer dürfen heute mehr Gefühl zeigen", so der in Köln lebende Autor der beiden Bücher "gutesleben.de" und "Hauptsache Arbeit". Untersuchungen von Harald Werneck, Psychologe an der Universität Wien, haben gezeigt, dass Väter heute das Zusammensein mit der Familie während der Zeit um die Geburt des Kindes wichtiger einschätzen als ihre Arbeit. Doch nach der Geburt sieht Vieles oft anders aus. Dann schlüpfen die meisten Väter in die Ernährerrolle und werden wegen der Arbeitszeiten oft zur Randfigur im Familienleben. "Wenn sie abends nach Hause kommen, ist der Tag mit den Kindern meist gelaufen", so Gesterkamp. "Auch Väter haben ein Vereinbarkeitsproblem, nur wenige schaffen den Balanceakt zwischen Job und dem Anteil, den sie an der Erziehung der Kinder beteiligt sein möchten." Unverkennbar ist eine Änderung im Rollenverständnis von Vätern. Männer gelten nicht mehr als Weicheier, wenn sie ihren Kindern Zärtlichkeit und Einfühlungsvermögen entgegenbringen. "Es hat sich ein Wandel im Laufe der letzten beiden Generationen vollzogen: Vom strafenden und Macht ausübenden Vater (Warte nur, wenn der Papa nach Hause kommt!), der sich in erster Linie über die Funktion des Zeugens, Beschützens und Ernährens definierte, hin zum emotional zugänglichen Ansprechpartner, der Erziehungsaufgaben übernehmen kann und möchte", sagt Werneck. Doch es besteht eben eine Kluft zwischen der Absicht und dem Verhalten der Väter. "Es sind immer noch nur knapp zwei Prozent der Väter, die Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen", so Gesterkamp. Dass ein Mehr an Erziehungsarbeit zu übernehmen oft nur ein Lippenbekenntnis bleibt, hängt nach Meinung der beiden Experten auch mit strukturellen Barrieren zusammen: Die Partnerin verdient weniger, Teilzeitplätze sind Mangelware, Arbeitslosigkeit erzeugt einen zusätzlichen Druck, und meist fehlt das Verständnis von Seiten der Arbeitgeber für die "neuen Väter".Rollenspiel klappt nur mit "neuen Müttern"

Und: "Ein Umdenken der Väter erfordert auch ein Umdenken auf Seiten der Mütter", so Werneck. Lange Zeit wurde laut dem Wiener Psychologen den Vätern die grundlegende biologische Voraussetzung für eine stabile emotionale Bindung an das Kind abgesprochen. Doch die Väterforschung der 70er-Jahre zeigte, dass Männer grundsätzlich in demselben Ausmaß wie Frauen dazu befähigt sind, eine Bindung zum Nachwuchs aufzubauen. Darunter, dass die Rolle des Vaters immer noch darin besteht, meist weg zu sein, leiden vor allem Jungen. "Ihnen fehlt häufig die gleichgeschlechtliche Identifikationsfigur", so Gesterkamp. In den ersten Lebensjahren wachsen die meisten Jungs überwiegend unter Frauen auf. Erzieher sind selten. In der vaterarmen Gesellschaft litten Männer heute deutlicher als früher darunter, dass sie nur Randfiguren in der Familie sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort