Diesen Winter wird drinnen gescharrt

GILZEM. Seit heute müssen Hühner, Gänse – im Grunde fast alles, was Federn hat – aus Sicherheitsgründen in geschlossenen Ställen gehalten werden. Auch der Hühnerhof der Familie Wirtz in Gilzem ist davon betroffen: Die Tiere bleiben drinnen, und die Eier stammen solange aus Boden- statt aus Freilandhaltung.

Vorsichtig klopft Werner Wirtz an die Stalltür. "Die sehen uns nicht", sagt er, "wenn ich jetzt einfach die Tür aufmache, erschrecken sie sich." Ganz langsam öffnet er den Zugang, und einige der Hühner, die das höfliche Eintrittsgesuch nicht vernommen haben, laufen hektisch zur Seite und mustern die Besucher.Der Hahn kann sich nicht durchsetzen

Wer hier, zwischen den rund 4000 Hühnern, etwas erzählen möchte, muss dabei laut sein - so wie der Hahn, der sich alle paar Sekunden irgendwo in der Mitte des lang gezogenen Gebäudes Respekt verschafft. "Der ist im Grunde nur noch zum Spaß hier, verdient sein Gnadenbrot und ist recht schreckhaft", sagt Wirtz. Dass der Hahn sich nicht so wirklich durchsetzen kann, sieht man ihm an. Einige Schwanzfedern fehlen bereits, doch an seinem durchdringenden Organ ändert das nichts. Aus der aufgeblähten Brust des Tieres schallt ein weiteres "Kickerikiiii" durch die weibliche Menge, während diejenigen, die davon kaum beeindruckt sind, durch eine der Öffnungen in den benachbarten Scharrraum verschwinden.

Von dort führen wiederum kleine Tore zum Außengehege, doch die bleiben zu. Von heute an dürfen die insgesamt 5500 Hühner und der Hahn der Familie Wirtz den Stall bis einschließlich 15. Dezember nicht mehr verlassen. Die Tiere folgen damit der Verordnung, die von der Bundesregierung erlassen wurde, um eine mögliche Übertragung der Vogelgrippe durch Zugvögel zu verhindern.

Wie seine Hühner das finden, weiß der Gilzemer Landwirt zwar nicht, ihn selbst aber beruhigt es schon, dass das seit langem diskutierte Stallhaltungsgebot nun endlich kommt. "Meine Existenz hängt daran", sagt Wirtz, der davon überzeugt ist, dass die Vogelgrippe auch irgendwann in Deutschland Einzug halten wird. "Jetzt sind die Tiere in Sicherheit", fügt er hinzu, und in den Monaten November und Dezember würden sie sowieso - auch ohne Verordnung - die meiste Zeit drinnen bleiben.

Zwar bleiben seine Tiere auch weiterhin "Freilandhühner", doch so lange sie sich nicht frei, also auch draußen, bewegen können, will Wirtz die Eier, die jeden Tag zu Tausenden gelegt werden, auch nicht als Freilandeier deklarieren. Die letzten Freilandeier seien gestern in Trier auf dem Wochenmarkt angeboten worden, erklärt er, "ab heute verkaufen wir nur noch Eier aus Bodenhaltung. Statt der "1" steht zu Beginn der Zahlen- und Buchstabenkombination auf Eiern der Familie Wirtz jetzt eine "2" - "eins" bedeutet Freilandhaltung und "zwei" ist Bodenhaltung.

Eine "3" für Käfighaltung hatte Wirtz bis vor wenigen Wochen auch noch auf einem Teil seiner Produkte. Denn erst seit dem Jahr 1998 verkauft der Betrieb, den Wirtz' Eltern vor fast 50 Jahren errichtet haben, wieder Freilandeier.

Anfang Oktober dieses Jahres wurde der Hof komplett auf die für die tierfreundlichere Haltung umgestellt. "Jetzt ist es im Grunde wieder so, wie ich es von meiner Kindheit her gekannt habe", sagt Werner Wirtz.

Immer im Hinterkopf: Eine drohende Schlachtung

Ganz so unbekümmert wie in seiner Jugend ist der Umgang mit dem Geflügel allerdings mehr als 30 Jahre später nicht mehr. Denn auch wenn Wirtz alles für den Schutz vor der Vogelgrippe unternommen hat: "Sollte hier irgendwo in der Umgebung ein Fall auftreten, dann müssten auch unsere Tiere geschlachtet werden." Zwar würde die Tierseuchenkasse den Wert der getöteten Tiere erstatten, "doch würde es in dem Fall mindestens ein Jahr dauern, bis wir wieder auf dem Stand von heute sind". Vom Verlust der Tiere und der in der Zwischenzeit nicht bedienten Kunden ganz abgesehen. "Ich lebe schließlich nicht davon, Hühner zu verkaufen, sondern Eier."

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