Donner und Jubel

BERLIN. Beim Parteitag der SPD motiviert Bundeskanzler Gerhard Schröder seine Genossen, weiter zu kämpfen. Ob die politische Zukunft rot-grün bleibt, ist offen.

Gerhard Schröder hat wieder auf dem Podium Platz genommen. Doch dem rauschenden Beifall und dem donnernden Trampeln tut das keinen Abbruch. Die Wahlteams der Jungsozialisten kreischen. In knallroten T-Shirts schwenkt der Parteinachwuchs Plakate mit den Aufschriften "Weiter ackern", "Der Mut ist links" oder "Jetzt erst recht". Der Kanzler erhebt sich erneut, reckt die Hände nach oben und genießt den Jubel. Dies ist der Höhepunkt eines Schauspiels, das nach dem Willen der SPD-Strategen eigentlich keine "Krönungsmesse" werden sollte. Sei's drum. Der Kanzler hat alles getan, um das Parteivolk die drohende Wahlniederlage kurz vergessen zu lassen. Und er hat es geschafft. Schon sein Einzug in den Saal des Berliner Estrel-Hotels, wo vor kurzem die Linkspartei den Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine gefeiert hatte, ist ein Triumphmarsch. Den Ärger über die eigene Wahlkampfführung konnte man zuletzt auch in den Medien verfolgen. "Schröder kämpft einen einsamen Kampf", titelte eine überregionale Zeitung und zitierte Unmutsäußerungen von nicht namentlich genannten SPD-Vorstandsspitzen. Mit diesen Selbstzweifeln soll jetzt Schluss sein. Gerade wegen der demoskopischen Niederungen für die Partei ist Schröder in seiner beinah 90 Minuten langen Rede voller Siegeszuversicht. Er geißelt eine "unheilige Allianz zwischen Meinungsforschern, Meinungsmachern und Wirtschaftsverbänden", die den Eindruck verbreite, der Wahltag sei schon gelaufen. "Es ist nichts entschieden", hebt Schröder hervor. Und dann legt er los. Während in seinen Wahlkampfreden vornehmlich eine rosige politische Bilanz dominiert, knöpft sich der Kanzler nun den politischen Gegner vor. Angela Merkel und Guido Westerwelle stünden für eine "Ellbogengesellschaft". Ihre Politik "zerstört den inneren Frieden im Land", donnert Schröder und stellt als Kontrast die "soziale Gerechtigkeit" der eigenen Partei heraus. Dass gerade Schröders Agenda 2010 an diesem Markenzeichen kräftig gekratzt hat - Schwamm drüber. Von Abschied kann keine Rede sein

Stattdessen reibt er sich an "diesem Professor aus Heidelberg". Gemeint ist Merkels Steuerfachmann Paul Kirchhof. Genüsslich zitiert Schröder Pressemeldungen, wonach laut Kirchhof eine Sekretärin mit 40 000 Euro Jahresgehalt bei seinem Modell 4000 Euro Steuern zahle. Als ein CDU-Politiker eine höhere Belastung errechnete, hätten Kirchhofs Mitarbeiter erklärt, dass sein Modell keine ledige oder verheiratete, sondern eine "Durchschnittssekretärin" erfasse, die 1,3 Kinder habe und zu "einem gewissen Prozentsatz" verheiratet sei. Da tobt der Saal vor Lachen. Schröder fragt: "Kann man einem solchen Menschen das Finanzministerium anvertrauen?" Könne man Merkel das Kanzleramt anvertrauen? Natürlich nicht. Von einer Abschiedsrede kann keine Rede sein. Zwar habe man Fehler gemacht. Aber "wir sind auf dem richtigen Weg". Ob Schröder diesen Weg weiter mit den Grünen beschreitet, bleibt offen. Der Koalitionspartner wird nie konkret erwähnt. Doch das ist den über 500 Delegierten nun egal. Zum Schluss spenden sie 13 Minuten lang tosenden Applaus: "Das Gefühl sollen wir so im Raum stehen lassen" - am Besten wohl bis zum Wahltag am 18. September.

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