Drei Zweige, viele Akteure

TRIER. Ist das starre deutsche Bildungssystem Schuld an im internationalen Vergleich schlechten Schülern? Immer wieder wird Kritik am Schulsystem geübt. Im Rahmen unserer Serie "Die beste Schule für mein Kind" beleuchten wir heute das Bildungssystem.

Vor dem Pisa-Schock stand der Sputnik-Schock. Nachdem die Russen am 4. Oktober 1957 vor den USA den ersten Erdsatelliten Sputnik ins All schossen, wurde das westliche Bildungssystem plötzlich infrage gestellt: Wie konnte die als bis dahin technologisch rückständig geltende Sowjetunion die westlichen Industrieländer überholen? Erstmals wurde damals in Deutschland von einer Bildungskatastrophe gesprochen und hektische Reformen beschlossen. 1973 gab es den ersten Bildungsgesamtplan, der jedoch bis heute nicht komplett umgesetzt ist. Trotz aller Reformbemühungen hielt man mehr oder weniger unverändert am dreigliedrigen Schulsystem fest. Erst vor einigen Jahren rückte das Bildungssystem wieder in den Focus der öffentlichen Diskussion, als die Pisa-Studie ergab, dass deutsche Schüler angeblich nur Mittelmaß sind. Als Hauptproblem wurde genannt, dass in Deutschland die Schüler viel zu früh auf die unterschiedlichen Schultypen verteilt werden. Seit Jahren hat sich an der eigentlichen Struktur des Bildungssystems nichts geändert. Neben der häufig kritisierten Dreigliedrigkeit verkompliziert vor allem die Vielzahl der Akteure im Bildungssystem effektive Reformansätze. Bildung fällt auch nach der Föderalismusreform in die Zuständigkeit der Länder, gleichzeitig treten auch Kommunen als Schulträger auf. Kaum eine Rolle spielen private Schulen. Die Schulpflicht beginnt mit der vierjährigen Grundschule , sie vermittelt Grundkenntnisse und soll auf den Besuch weiterführender Schulen vorbereiten. Danach kommt in der fünften und sechsten Klasse die Orientierungsstufe in weiterführenden Schulen. Zwar gewinnt die vorschulische Bildung etwa in Kindergärten zunehmend an Bedeutung, doch im offiziellen System spielt sie (noch) keine Rolle. Daher existiert in Deutschland offiziell nur ein dreigliedriges Schulsystem. Nach der Orientierungsstufe beginnt die eigentliche Selektion der Schüler. Hauptschulen als Pflichtschulen für alle Schüler, die nicht auf weiterführende Schulen gehen, die Schulpflicht endet mit dem neunten Schuljahr, in den meisten Ländern gibt es ein freiwilliges zehntes Hauptschuljahr. Die Hauptschule ging in den 60er-Jahren aus der Volksschule hervor. In der aktuellen Bildungsdiskussion sehen Experten in der klassischen neunjährigen Volksschule einen Ausweg aus der ihrer Ansicht nach zu frühen Aufteilung der Schüler auf bestimmte Schulsysteme. Immer mehr Bedeutung gewinnen die Realschulen . Sie vermitteln eine so genannte erweiterte allgemeine Bildung. Der Realschulabschluss berechtigt zum Besuch von Fachschulen oder eines Gymnasiums. Gymnasien gibt es seit 1955 im deutschen Bildungssystem. Mit dem griechischen Namen für Versammlungsstätte der Philosophen werden alle Schulen bezeichnet, die zur allgemeinen Hochschulreife führen. Das Abitur ermöglicht den Zugang zu allen Arten von Berufsausbildungen oder Studiengängen. Neben den klassischen Gymnasien gibt es zunehmend berufsbezogene Fachgymnasien. Die in Deutschland am meisten diskutierte Schulform ist die Gesamtschule . Ihr Konzept beruht auf der Forderung nach mehr Chancengleichheit und der Vereinigung der unterschiedlichen Schultypen. Neben der eher klassischen Volksschule wird die Gesamtschule von Bildungsreformern immer wieder angeführt, um die Bildungschancen für alle zu erhöhen. Neue Nahrung bekommt die Diskussion durch eine Anfang der Woche vorgelegte Studie des Schweizer Prognos-Instituts. Darin wird gefordert, bis zum siebten Schuljahr in altersgemischten Klassen zu unterrichten, erst danach soll eine Auslese je nach Befähigung erfolgen, "wobei eine hohe Durchlässigkeit zwischen den Schulformen zu erhalten ist", heißt es. Geld für die Reform sei da, heißt es in dem Papier: Wegen dramatischen Rückgangs der Schülerzahlen in den nächsten 14 Jahren können 80 Milliarden Euro eingespart werden. Allein in Rheinland-Pfalz verringert sich die Schülerzahl bis 2020 um 123 000 auf 49200. Im nächsten Teil unserer Serie "Die beste Schule für mein Kind": Grundschulen - mehr als nur Mathe, Lesen und Sachkunde.

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