"Du musst mitgehen“

TRIER. Nächster Akt im Streit um einen Zehnjährigen aus dem Kreis Trier-Saarburg. Erneut hat sich der Junge geweigert, mit dem Gerichtsvollzieher mitzugehen. Laut Urteil darf der Junge nicht in Deutschland bei seinem Vater leben, sondern muss zu seiner Mutter nach Belgien ziehen (der TV berichtete).

Seit einer Stunde ist die Tür zum Kinderzimmer geschlossen. Zusammen mit dem Gerichtsvollzieher versucht dahinter die Mutter, ihren zehnjährigen Sohn Nico zu überreden, mit ihr nach Belgien mitzukommen. Im Flur vor dem Zimmer wartet eine Mitarbeiterin des Jugendamtes Trier. Sie will zwischen der Mutter, die laut Oberlandesgericht Koblenz das Recht hat, ihren Sohn mitzunehmen, und dem Jungen vermitteln. Er will, wie bereits beim ersten Vollstreckungstermin vor fast drei Monaten, bei seinem Vater bleiben. Seit September lebt er dort. Die Richter werfen dem Vater Joachim P. vor, seinen Sohn widerrechtlich festzuhalten.

„In einem vereinten Europa ist so etwas doch nicht mehr nachvollziehbar. Wie kann man da von einer Kindesentführung sprechen?“, sagt Doris Brosius, Anwältin des Vaters. Die Jugendamtsmitarbeiterin bietet an, dass sich der Junge und seine Mutter auf neutralem Boden, etwa bei ihr im Amt, treffen können. Sie versucht alles, damit die Situation nicht eskaliert und dass nichts gegen den Willen des Jungen geschieht. „Du musst aber mitgehen.“ „Du darfst eigentlich gar nicht hier sein.“ Immer wieder hört man durch die geschlossene Tür, wie der Gerichtsvollzieher versucht, den Jungen zu überzeugen. Gegen den Willen des Junge darf er ihn nicht aus dem Haus nehmen. Trotzdem hat er zwei Polizisten angefordert, die aber untätig im Treppenhaus stehen. „Die sind zu meinem Schutz da“, erklärt der Gerichtsvollzieher später. Zum Schutz, falls der Vater sich ihm in den Weg stellen oder gar gewalttätig werden sollte. Doch der 41-Jährige geht zwar nervös im Flur auf und ab, stellt sich dem Gerichtsvollzieher aber nicht in den Weg. Er lässt ihn mit seinem Sohn allein. Die Polizisten in Zivil haben keinen Anlass einzugreifen. Joachim P. hat sogar, nachdem der Gerichtsvollzieher zusammen mit der Mutter des Jungen wieder mal vor der Tür gestanden hat, die Tasche des Jungen gepackt.

„Wenn du mit Mama mitgehen willst, dann kannst du gehen. Ich komme dich am Samstag besuchen“, sagt er seinem Sohn. Doch auch nach zwei Stunden lässt sich Nico nicht überreden. Wie vor drei Monaten. Nächste Woche feiert er Geburtstag. Er wird elf Jahre alt. Er habe bereits die Party geplant, seine Freunde aus der Schule und dem Fußballverein eingeladen, sagt seine Stiefmutter. Auch seiner Schwester, die bei der Mutter in Belgien lebt, hat er geschrieben: „Ich möchte dich für meinen Geburtstag einladen Dein Nico.“ Das Jugendamt hat gegen das Urteil der Koblenzer Richter protestiert. Doch die haben erneut den Gerichtsvollzieher geschickt. Auch dieses Mal muss er erfolglos abziehen. Die Mutter rennt weinend, ohne ein Wort zu sagen die Treppe runter aus dem Haus. „Bis demnächst“, verabschiedet sich der Gerichtsvollzieher. Würden die Richter einem neuen Vollstreckungsantrag stattgeben, müsste er wieder kommen. „Ich will, dass Nico endlich Ruhe bekommt“, sagt sein Vater. Er will nun vom Gericht prüfen lassen, ob sein Sohn bei ihm bleiben darf.

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