EU ohne Türken und Land ohne Schulden

PASSAU. In einer über weite Strecken blassen und erst zum Schluss gewohnt deftigen Rede hat Edmund Stoiber vor 8400 Zuschauern in der randvoll gefüllten Passauer Dreiländer-Halle vor allem mit einem Thema gepunktet: der Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft der Türkei.

Soll an Bayerns Wesen Deutschland genesen? An der Mischung aus "Erneuern und Bewahren”, an der Mischung aus Laptop und Lederhose? Grüß Gott, du alte Leier, die seit nun schon 52 Jahren beim politischen Aschermittwoch gesungen wird. Und in gewohnter Manier bleut der bayerische Ministerpräsident das den Zuhörern in seiner rund zweistündigen Rede ein. Nach Passau passt ein außenpolitisches Thema vorzüglich: die Nachteile der Deutschen aufgrund der Europäischen Union. In erster Linie die finanziellen Nachteile. Schon auf Grund der jetzigen Konstellation. Aber vor allem auf Grund der etwaigen Aufnahme der Türkei. Stoiber scheut vor riskanten Gegenüberstellungen nicht zurück. "Der türkische EU-Beitritt würde 14 Milliarden kosten, und die Rentner bekommen eine Nullrunde. Das überfordert die Deutschen. Man muss doch an das deutsche Volk denken. Können wir das überhaupt noch?” Neben solchen Vabanque-Spielen vertraut Stoiber auf die klassischen Rettungsanker. Die Angriffe auf den politischen Kontrahenten, auf die rot-grüne Bundesregierung, auf Kanzler Gerhard Schröder. "Schwafler” seien das, "Dilettanten”, "Banausen”. Der Schimpfwort-Katalog wächst und wächst, und irgendwo dazwischen greift der bayerische Ministerpräsident zu den Superlativen: "Schröder ist der teuerste und schlechteste Kanzler, den Deutschland je hatte.” Nur wir Unionler sind, so spricht er vehement - nur ich Edmund bin, so denkt er wohl - in der Lage, Deutschland wieder nach vorne zu bringen, wirtschaftlich wie moralisch wie überhaupt, denn "die in Berlin können es nicht, die müssen weg”. Der Aspekt "Verschuldung” hat es ihm besonders angetan: "Wir haben eine Verantwortung für die kommenden Generationen”, betont Stoiber mehrfach. Da erklingen auch wieder die bekannten Jubel-Rufe und Beifalls-Stürme. Aber so sehr sich das Publikum auch müht - stimmungsmäßig kommt es in der neuen, weniger an Stammtisch und Bierzelt erinnernden Dreiländer-Halle an die Vorjahres-Vorlagen einfach nicht heran. Zumal die Pfiffe der vor der Tür in großer Anzahl gegen die geplante Erhöhung der Wochenarbeitszeit demonstrierenden Polizei-Beamten immer wieder in die Halle durchdringen. Erst beim langen Schluss-Beifall (acht Minuten; unter anderem "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin”) kann sich Stoiber wieder wie in der mittlerweile abgerissenen Nibelungen-Halle fühlen.

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