"Effektive Allianzen"

Washington . Sollte dem Demokraten John Kerry am 2. November der Einzug ins Weiße Haus gelingen, so stehen die ersten außenpolitischen Schritte bereits fest: "Ein rascher Auftritt vor den Vereinten Nationen, dann Gespräche mit den wichtigsten europäischen Regierungschefs", kündigte Kerry gegenüber Journalisten an.

Deutschland stehe, wie die Strategen des Senators bekräftigen, auf einer Liste jener Nationen, die Kerry im Erfolgsfall davon überzeugen wollen, ein pragmatischer Internationalist zu sein, der von George W. Bushs berüchtigtem Leitsatz "Entweder seid ihr für uns oder gegen uns" nichts wissen will. Siegt Kerry, gewinnen also auch Europa und die angeschlagenen transatlantischen Beziehungen. So könnte zunächst die Schlussfolgerung lauten. Doch ist dieses optimistische Fazit tatsächlich haltbar? Nicht jeder in den USA teilt den Optimismus der Europäer, die Umfragen zufolge in überwältigender Mehrheit John Kerry die Daumen drücken. "Europa sollte sich auf eine Enttäuschung vorbereiten", sagt beispielsweise Ezra Suleiman, Direktor für europäische Studien an der Princeton-Universität. "Alle denken, es wird eine schnelle Wende in der US-Außenpolitik geben", so Suleiman, "doch das wird nicht der Fall sein." Der Wissenschaftler verweist darauf, dass auch Kerry bisher nicht einen "vorbeugenden Militärschlag" oder einen nur auf wenige Mitstreiter gestützten Waffengang ausgeschlossen hat, falls am Ende die Diplomatie versagt. Und auch John Kerrys außenpolitischer Berater James Rubin räumte kürzlich ein, die Ziele der Außen- und Sicherheitspolitik würden sich vermutlich nicht stark verändern. Der Hauptunterschied, so Rubin, werde jedoch die Art und Weise sein, wie ein Demokrat im Weißen Haus künftig die Realisierung der Ziele anstrebe. Und diese Marschroute zeichnet sich bereits ab: Eine stärkere Einbeziehung der Uno - und eine intensivere Einbindung der traditionellen Verbündeten in Europa in den Anti-Terror-Kampf. Joseph Biden, einer der engsten Mitstreiter von John Kerry im US-Senat und als möglicher Außenminister gehandelt, ließ bereits im September durchblicken, was man im Erfolgsfall auch von Paris, London und Berlin erwarten wird: "Unsere Alliierten werden in Zukunft eine viel härtere Gangart gegenüber jenen Staaten einschlagen müssen, die Terroristen beherbergen, nach Massenvernichtungswaffen streben und diese Waffen an den Meistbietenden verkaufen wollen." Was bedeutet: Nach einer von Freundlichkeiten geprägten Phase des Kennenlernens wird ein Präsident John Kerry personelle, finanzielle und politische Forderungen stellen. Wie beispielsweise, dass die Nato spürbar im Irak aktiv wird, um US-Truppen zu entlasten. Kerry sieht, das hat er im Wahlkampf immer wieder deutlich gemacht, die Stabilisierung des Irak als Problem an, das man "gemeinsam mit den Europäern" habe. Und auch der Vier-Punkte-Plan der Demokraten, den der Kerry-Vertraute Biden kürzlich für die Außenpolitik skizzierte, stützt sich auf konkrete Mitarbeit jener, die den Senator aus Massachussetts so gerne als neuen Präsidenten sehen würden. So wollen Biden und Kerry "effektive Allianzen" und eine "gemeinsame Präventions-Strategie", die auch auf die Reform von "gescheiterten und antidemokratischen Staaten" setzt, die Quellen der Instabilität sein könnten - ein klarer Hinweis in Richtung Iran und Nordkorea.

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