Eichel, Clement und die düsteren Zahlen

BERLIN. (vet) Finanzminister Hans Eichel durfte fast jede Wirtschaftsprognose nach unten korrigieren. Dafür lief es bei der Verschuldung genau umgekehrt. Gestern war es wieder so weit. Mit gequältem Lächeln setzte sich Eichel vor die Kameras, um die Haushaltsdaten für 2003 und 2004 zu "erläutern".

Schlimmer hätte es nicht kommen können. Weil die Konjunktur lahmt, die Einnahmen weg brechen und die Ausgaben steigen, muss der Kassenwart Hans Eichel einen Nachtragshaushalt vorlegen, der sich gewaschen hat. Statt 18,9 Milliarden neue Schulden im laufenden Jahr werden es nun 43,4 Milliarden Euro sein. Damit stellt Eichel noch seinen Vor-Vorgänger Theo Waigel (CSU) in den Schatten, der sich 1996 die Rekordsumme von 40 Milliarden Euro borgen musste. Das Defizit geht in erster Linie auf Mehrausgaben für die Arbeitslosigkeit zurück. Hatte die Bundesregierung im Januar noch mit durchschnittlich 4,2 Millionen Erwerbslosen für 2003 kalkuliert, so errechnete sie inzwischen fast 200 000 mehr. Auch beim Bundeshaushalt 2004 sind die Aussichten trübe. Zur geplanten Neuverschuldung in Höhe von 30,8 Milliarden könnten laut Eichel weitere sechs Milliarden hinzukommen. Damit nicht genug, hängen auch noch zwei Milliarden Euro in der Luft, um die sich der Kassenwart bei SozialministerinUlla Schmidt vergeblich bemüht hatte. Nach den Rentenbeschlüssen vom vergangenen Wochenende soll nun eine Kollekte bei allen Ministerien veranstaltet werden. Zwar gab sich Eichel optimistisch, das fehlende Geld auch einzutreiben, fügte aber kleinlaut an, "dass ich eigentlich weiter wollte". Dieses verzweifelte Gefühl ist auch seinem Kabinettskollegen Wolfgang Clement nicht ganz fremd. Vor Eichels Auftritt hatte der Wirtschaftsminister an gleicher Stelle die "schwierige konjunkturelle Lage" neu interpretiert. Statt ein Prozent Wachstum, wie noch im Jahreswirtschaftsbericht prognostiziert, ist für 2003 nur noch mit einer "schwarzen Null" zu rechnen. Auch die vormals zwei Prozent plus für das Folgejahr sind Makulatur. Nun wird der reale Anstieg des Bruttoinlandsprodukts vorsichtig mit "1,5 bis zwei Prozent" angegeben. Die Entscheidungen der Regierung sollen auf einem Wert von 1,7 Prozent basieren. Dass der Zuwachs zu schwach ist, um den Arbeitsmarkt zu beleben, konnte auch Clement nicht unter den Tisch kehren. Trotzdem suchte der "Superminister" Optimismus zu versprühen: "Die Anzeichen für eine Trendwende mehren sich." Außerdem würden die Hartz-Gesetze der Beschäftigung helfen. Dumm nur, dass Zeitungen just am selben Tag die Beerdigung des so gepriesenen "Jobfloaters" vermeldet hatten. Statt der geplanten 50 000 Arbeitslosen weniger, wurden seit November 2002 gerade mal 8027 Stellen geschaffen. Trotzdem ließ sich Clement nicht beirren. Die Beitragsstabilität bei der Rente und das Vorziehen der Steuerreform seien "psychologisch von unschätzbarem Wert". Wenn alle Reformen greifen, prophezeite Clement, "werden sie sich noch wundern".

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