Ein Elefant im Porzellanladen

BERLIN. Die Elefantenrunde nach der Tagesschau gehört seit Jahrzehnten zu den langweiligsten Routine-Übungen an jedem Wahlabend. Doch das Gipfeltreffen von gestern wird als denkwürdig in die Geschichte der Republik eingehen.

Gerhard Schröder trat an wie ein bis zur Halskrause gedopter Radfahrer am steilsten Alpenpass. Aggressiv rempelte er gleich zum Start Moderator Nikolaus Brender - den ZDF-Chefredakteur mit dem SPD-Ticket - an, als wolle er ihn für alle Medienschelte der letzten Monate persönlich verantwortlich machen.In seinem euphorischen, an Selbst-Suggestion grenzenden Höhenflug verstieg sich der Noch-Kanzler gar zu der Aussage, er alleine sei in der Lage, eine stabile Regierungsmehrheit zu bilden. Angesichts des unübersehbaren Realitätsverlustes war die Fassungslosigkeit der Moderatoren kaum zu übersehen. Woher denn die Mehrheit angesichts der glasklaren Absage der FDP kommen solle? Da antwortete Schröder nur mit einem Dauergrinsen, das FDP-Chef Westerwelle zu der Frage veranlasste, was der Kanzler denn wohl vor der Fernseh-Runde getan habe.

Immer wieder versuchten die Beteiligten zu ergründen, von welcher Mehrheit Schröder denn spreche. "Sie werden doch nicht davon ausgehen, dass es angesichts der Sitzverteilung eine große Koalition unter ihrer Führung geben wird?", fragte Moderator Hartmann von der Thann eher rhetorisch und zuckte zusammen, als Schröder antwortete: "Ja was denn sonst." Da erstarrte selbst der nüchtern analysierende Joschka Fischer am Nebentisch. Die Strategen in der SPD-Zentrale dürften angesichts des taktischen Amoklaufs ihres Spitzenmannes gleichzeitig zusammengezuckt und erstarrt sein. Die vage Hoffnung auf einen späteren Umfaller der FDP, etwa nach einem sorgfältig inszenierten Scheitern der Verhandlungen um eine große Koalition, scheint nach Schröders Ausfällen und Westerwelles Reaktion ("Ich bin zwar jünger als Sie, aber nicht blöder") auf den Nullpunkt gesunken sein.

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