Ein Fenster in die Vergangenheit

Vor knapp zwei Jahren entstand die Idee, anlässlich der Konstantin-Ausstellung eine Ausgabe des Trierischen Volksfreunds aus jener Zeit herauszugeben, in der der Kaiser hier seine Residenzstadt hatte. Ein Vorhaben, das sich in der Folge als keineswegs unkompliziert erwies.

 Kaiser mit Zeitung: Konstantin der Große. Foto: Konstantin GmbH, TV-Montage: Birgit Keiser

Kaiser mit Zeitung: Konstantin der Große. Foto: Konstantin GmbH, TV-Montage: Birgit Keiser

Trier. Nein, natürlich gab es bei den Römern noch keine Zeitungen. Schließlich sollten von der Ära Konstantin bis Johannes Gutenberg noch weit über 1000 Jahre vergehen. Und doch hat die Vorstellung etwas: Wie hätte eine Regional-Zeitung 300 nach Christus ausgesehen? Was hätte sie über Politik, Kommunales, Sport, Kultur und Gesellschaft berichtet?Eine Frage, die für Journalisten und Historiker gleichermaßen spannend ist, verspricht sie doch, ein Fenster in die Vergangenheit zu öffnen. Ein Fenster nicht für Experten, sondern für Alltags-Leser von heute, deren Vorstellungskraft kaum ausreicht, sich das Leben zu Zeiten Kaiser Konstantins praktisch auszumalen. Im Wintersemester 2004/05 grübelte man an der Uni Trier im Rahmen einer geschichtsdidaktischen Übung über genau diese Frage nach: Wie könnte man das Thema "Konstantin" populärwissenschaftlich an den Mann oder die Frau bringen? Zeitgleich bastelte man in der TV-Redaktion an Konzepten für eine "historische Ausgabe".

Im Herbst 2005 gelang es, beide Vorhaben unter einen Hut zu bringen: Die Studenten am Lehrstuhl der Historikerin Prof. Elisabeth Herrmann-Otto begannen im Rahmen eines einjährigen Projektseminars unter Leitung von Andrea Binsfeld, aus der Sicht des 4. Jahrhunderts Themen für eine Regionalzeitung auszuarbeiten. Die Redaktion half mit Workshops, in denen den Jung-Wissenschaftlern die Bedürfnisse "normaler" Zeitungsleser vermittelt wurden.

An Kreativität herrschte kein Mangel. Die 35 Studenten entwarfen analytische Artikel für den Politikteil, versetzten sich in die Lage der antiken lokalen Wirtschaft, erfanden Berichte aus Amphitheater und Arena für den Sportteil, schwelgten in Klatsch und Tratsch über das Kaiserhaus. Umfragen, Anzeigen, Leserbriefe: Keine Form sollte fehlen.

Das Unterfangen erwies sich als ambitioniert, schon wegen seiner Dauer. Von der ersten Idee bis zur Realisierung vergingen insgesamt fast drei Jahre - für Studenten eine Ewigkeit. Und doch blieben viele bei der Stange, eine fünfköpfige Gruppe war sogar bei der Schlussredaktion dabei.

Treveri statt Treveris

Die härteste Nuss, die Zeitungs- und Uni-Leute zu knacken hatten, war die Kluft zwischen wissenschaftlichem Anspruch und populärer Aufbereitung. Bis zu fünf Mal wanderte jeder Artikel zwischen Autor, Uni und Redakteur hin und her, bis Formulierungen gefunden waren, die einerseits Lesbarkeit garantierten, andererseits aber auch historischer Genauigkeit genügten. Unvergessen jener Moment, als an der Uni kurz vor Redaktionsschluss des fast fertigen Produkts herausgefunden wurde, dass Trier im Jahr 317 nicht Treveris hieß, sondern Treveri. An etwas 100 Stellen des "Amicus Treverorum" wurde prompt über Nacht jedes "Treveris" seines letzten Buchstabens beraubt - um der wissenschaftlichen Präzision willen. Im Gegenzug schluckten die Historiker manch saloppe journalistische Formulierung von jener Sorte, die Texte geschmeidiger machen, aber nicht unbedingt genauer. Auch die möglichst attraktive Bebilderung entpuppte sich als Hürdenlauf. Wer möchte schon eine Tageszeitung, deren optische Anmutung aus bröckeligen Mosaiken besteht? Dank Amtshilfe kam man aus der Bredouille. "IGOR", die Bild-Datei der Konstantin GmbH, erwies sich als wahre Fundgrube, das Landesmuseum öffnete seinen Fundus, die Moselland-Touristik plünderte ihre "Straße der Römer", die Medien-Fabrik stellte ihr "Brot und Spiele"-Archiv zur Verfügung.

Römische Szenen nachgestellt

TV-Fotograf Friedemann Vetter stattete sich im Theater mit Requisiten aus und stellte mit begabten Laiendarstellern römische Szenen nach. Und da gab es ja auch noch das Zeichner-Talent des Studenten Thomas Jäger. Der "Amicus Treverensis" ist, wie jede Tageszeitung, eine Momentaufnahme. Er hält blitzlichtartig fest, was an einem bestimmten Tag Stand der Dinge war. Weil nicht alle Leser historisch so beschlagen sind wie die Autoren, haben die wissenschaftlichen Leiterinnen in einem Service-Artikel aufgelistet, wie es nach dem 8. August 317 weiterging.

Bei Interesse bieten wir einen Satz von "Amicus Treverensis"-Ausgaben für Schulklassen an. Info: d.lintz@volkfreund.de.

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