Ein Joint erspart neun Monate Dienst

TRIER. Haschisch & Co. statt Rettungsdienst oder Behindertenwerkstatt? Am 1. Oktober ist eine neue Regelung in Kraft getreten, deren Urheber offenbar eine Kleinigkeit übersehen haben: Wer einen positiven Drogentest hat, gilt automatisch als untauglich für den Zivildienst.

"Nimm Drogen, und du kommst um den Zivildienst herum!" Sabine Kaufmann, beim Trierer Club aktiv zuständig für Zivildienstleistende, ist sauer. "Diese Regelung kann Eltern, Pädagogen und Sozialarbeiter nur erschauern lassen!" "Diese Regelung" ist eine Änderungen des Zivildienstgesetzes, die unter anderem die Abschaffung der Tauglichkeitsstufe T3 vorsieht. Unter diese Kategorie fielen unter anderem junge Männer, die wegen Drogenkonsums keine Aufgaben wie etwa Autofahren übernehmen durften. Mit dem Wegfall der T3 werden solche Kandidaten nun automatisch untauglich. Wer einen positiven Drogentest habe, müsse nach den Bestimmungen auch dann nach Hause geschickt werden, wenn er beteuere, nicht süchtig zu sein, sagt Sabine Schmitt vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Rheinland-Pfalz/Saarland in Saarbrücken. Drogenkonsum sei vier Wochen lang nachweisbar. Die Folge: "Ein junger Mann braucht nur 14 Tage vor Beginn des Zivildienstes auf einer Party zu kiffen - dann wird er garantiert ausgemustert." Ihre Prognose: "Der Effekt wird sein, dass viele genau das tun." Das befürchtet auch Sabine Kaufmann. "Es heißt immer: Keine Macht den Drogen. Mit der neuen Regelung gibt man den Rauschmitteln aber Macht in die Hand! Dass schon leichte Drogen - deren Konsum auch zur Ausmusterung führt - als Einstiegsdrogen gelten, müssten die Entscheidungsträger doch wissen." Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat sich beim Bundesamt für Zivildienst beklagt - und zur Antwort erhalten, man sei machtlos, weil sich die eigenen Bestimmungen an entsprechenden Regelungen bei der Bundeswehr orientieren müssten. "Es hat da Irritationen gegeben." Josef Opladen, stellvertretender Sprecher des Bundesamtes, druckst herum. Natürlich öffne man "nicht Tür und Tor dafür, dass jeder, der zu einem Pfeifchen greift, aus dem Dienst raus ist", sagt er, und schließlich: Da sei wohl ein Hinweis vergessen worden. Anders als im Schriftwechsel mit dem paritätischen Wohlfahrtsverband heißt es nun, man habe Handlungsbedarf erkannt und dem Verteidigungsministerium einen entsprechenden Hinweis gegeben. "Das ist in der Abstimmung", sagt Opladen. Wann genau es Änderungen gebe, sei allerdings noch schwer zu sagen. Beim Verteidigungsministerium hört sich das ganz anders an: "Bei uns muss sich überhaupt nichts ändern", sagt Sprecher Dirk Stölten. Bei der Bundeswehr werde nämlich nur ausgemustert, wer schwer süchtig sei, und das werde entsprechend überprüft. Da müsse sich das Bundesamt für Zivildienst wohl "noch mal genauer mit unseren Richtlinien auseinander setzen"."Staatlich initiierte Drogenkarrieren"

Vorerst haben nun die Ärzte bei den Einstellungsuntersuchungen für Zivis den schwarzen Peter: Das Bundesamt habe sie "auf diesen Punkt hingewiesen", sagt Opladen. Sie gingen sicher restriktiver mit der Entscheidung über eine Untauglichkeit wegen Drogenkonsums um, wenn ihnen die Problematik bekannt sei. Eine Ansicht, der Sabine Schmitt und Sabine Kaufmann widersprechen. Ein Arzt könne eine Sucht überhaupt nicht feststellen, und die Überweisung an einen Psychologen sei nicht vorgesehen, sagt Schmitt, und Kaufmann ergänzt: Ärzte müssten zusehen, dass sie auf der sicheren Seite seien. "Da erklären sie im Zweifelsfall natürlich jemanden für untauglich." Für sie bleibt es dabei: "Hier geht es um staatlich initiierte Drogenkarrieren!"

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