Ein Kind? - C'est la vie

Während in Deutschland viele Bürger an den Wunsch, Kinder zu bekommen, eher vorsichtig und mit Bedenken herangehen, demonstriert das Nachbarland Frankreich, dass es auch anders geht.

Berlin. Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach erlebt bei ihren vielen Untersuchungen selten noch große Überraschungen. Als sie aber jetzt bei 1200 befragten Deutschen zwischen 16 und 49 Jahren und 1026 Franzosen erforschte, warum man hier zu Lande kaum noch Kinder bekommt, im Nachbarland aber ziemlich viele, war sie erstaunt. Wasser auf die Mühlen der Politik von der Leyens

"Krasse Unterschiede" in der Einstellung zum Nachwuchs erbrachte die Studie, und sie zeigte auch den Grund dafür: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in Frankreich wesentlich besser. Für Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) sind die Daten Wasser auf die Mühlen ihrer Politik. Etwas mehr als 2,0 Kinder gebiert im Schnitt jede Französin. Unter 1,4 sind es bei einer deutschen Frau, wodurch unser Volk - anders als die Franzosen - langfristig zum Aussterben verurteilt ist. Vor allem bei den derzeit Kinderlosen und bei den Männern zeigen sich große Unterschiede. Nur 44 Prozent der jetzt Kinderlosen wollen in Deutschland ganz sicher einmal Kinder haben, in Frankreich sind es 59 Prozent. Hier zu Lande, so Köcher, ist Kinderlosigkeit schon ein "Lebensentwurf", in Frankreich nur ein vorübergehendes Stadium. Auf die Frage, ob der Sinn des Lebens auch in Kindern bestehe, sagen in Frankreich 57 Prozent der Männer ja, in Deutschland nur 46 Prozent. In Deutschland, so ergab die Studie, muss sehr viel stimmen, bis sich ein Paar tatsächlich für Nachwuchs entscheidet. Ein Einkommen muss im Notfall reichen, sagen hier 57 Prozent, im Nachbarland nur 21 Prozent. Auch dass beide die Berufsausbildung abgeschlossen haben, wird in Deutschland wesentlich häufiger als Bedingung genannt. Alles in allem sehen die Franzosen einem Kind deutlich gelassener entgegen als die Deutschen, wie von der Leyen gestern zusammenfasste. "In Frankreich ist die Grundhaltung: Es geht nach der Geburt weiter. Bei uns bedeutet ein Kind einen scharfkantigen Bruch in der Lebensplanung". Warum das so ist, wurde auch klar: 62 Prozent der Frauen in Frankreich finden Familie und Beruf vereinbar, in Deutschland nur 22 Prozent.Französinnen legen mehr Wert auf den Beruf

Die Französinnen haben als Folge der fast flächendeckenden Betreuungsmöglichkeiten auch eine andere Einstellung zum Beruf. Er ist für zwei Drittel von ihnen wichtig (Deutschland 49 Prozent). Und sie finden zu 62 Prozent auch, dass Kinder schon im ersten Lebensjahr von Fremden betreut werden können. In Deutschland folgt dem nur eine verschwindende Minderheit von sieben Prozent. Von der Leyen sagte, für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland öffne sich jetzt ein Zeitfenster. Das Elterngeld sei der erste Schritt gewesen, der Ausbau der Zahl der Krippenplätze auf 750 000 der nächste. Erstmals bestätigte die Ministerin, dass sie den Ländern und Gemeinden bis 2013 jährlich rund 600 Millionen Euro für die baulichen Investitionen zur Verfügung stellen will. Also kein Geld für das Personal. Das sei verfassungsrechtlich der einzig gangbare Weg und "ein starkes Angebot" des Bundes. Nächste Woche trifft sich von der Leyen mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), um die Geldfrage zu klären. Meinung Wo Familie lebt Krass, anders kann man die Daten nicht bezeichnen. Dass die Einstellung zum Kinderkriegen in zwei prinzipiell so ähnlichen Ländern wie Deutschland und Frankreich so fundamental unterschiedlich ist, lässt nach den Gründen fragen. In Deutschland sehen junge Menschen vor allem Probleme auf sich zukommen, wenn sie sich für ein Kind entscheiden sollen. In Frankreich ist die Einstellung zum Kind wesentlich positiver. Die Allensbach-Studie ist eine Ohrfeige für all jene Mixas und Söders, die Familienministerin Ursula von der Leyen vorwerfen, mit ihrer Politik des Ausbaus der Kinderbetreuung die traditionelle Familie zu zerstören. Umgekehrt wird ein Schuh draus: In Frankreich, katholisch und konservativ regiert, lebt die Familie, weil der Staat für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgt. Bei uns, wo es vielerorts massiv an Betreuungsmöglichkeiten fehlt, geht der Kinderwunsch drastisch zurück. Die Ideologie der klassischen Rollenverteilung, die die Frau die Kleinkinder versorgen und den Mann das Geld verdienen lässt, erzeugt also in der heutigen gesellschaftlichen Wirklichkeit das Gegenteil dessen, was sie zu verteidigen vorgibt. Sie zerstört Familie. nachrichten.red@volksfreund.de

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