Ein Kreuz für das unbekannte Mordopfer

Trier · Ein junger Mann wird an der Autobahn A 60 erschossen. Auch nach 15 Jahren wissen die Ermittler nicht, wer der Tote ist.

 So soll der unbekannte Tote zu Lebzeiten ausgesehen haben. Foto: Polizei

So soll der unbekannte Tote zu Lebzeiten ausgesehen haben. Foto: Polizei

Foto: (g_pol2 )

Trier Ein niederländischer Lastwagenfahrer macht am 22. Januar 2002 die grausige Entdeckung: Auf einer Böschung neben der Autobahn A 60 unweit der Eifeler Ortschaften Steinmehlen und Weinsfeld liegt ein toter Mann. Wie die Ermittler später feststellen, wurde der etwa 25 bis 30 Jahre alte Mann ermordet. Am Hinterkopf des Leichnams klafft eine große Wunde, die offensichtlich stark geblutet hat. Bei der Obduktion stellen die Ärzte mehrere Einschüsse in Kopf und Körper fest. Eine weitere Erkenntnis: Der Unbekannte war schon einige Tage tot, als der niederländische Trucker den auf dem Rücken liegenden Mann entdeckt hat. Vermutlich war der zuvor schneebedeckte Leichnam wegen des einsetzenden Tauwetters plötzlich wieder komplett zu sehen gewesen. Eine weitere Erkenntnis der Spurensicherer: Die Stelle unweit des Autobahnparkplatzes Schneifel-West, wo der Unbekannte lag, ist auch der Tatort. Darauf deuten unter anderem die vor Ort gefundenen Patronenhülsen hin.
Ansonsten bietet das seit mittlerweile über 15 Jahren nicht aufgeklärte Gewaltverbrechen mehr Fragen als Antworten. Bei dem unbekannten Toten wurden nach Angaben des Chefs der Trierer Mordkommission, Christian Soulier, damals weder Pass noch irgendwelche anderen Ausweise oder Karten gefunden, die Rückschlüsse auf seine Identität zuließen. "Er hatte auch keine Tätowierung und trug weder Uhr noch Schmuck", sagt der Mordermittler. Das einzige auffällige Merkmal war laut Soulier eine etwa fünf Zentimeter lange Narbe am linken Handgelenk.
Ungewöhnlich war, dass bei dem unbekannten Toten keine Jacke gefunden wurde, obwohl es Winter war und in den Tagen zuvor auch geschneit hatte. Er trug nur eine braune Cordhose mit aufgesetzten Oberschenkeltaschen, Lederhalbschuhe der Größe 42, ein blaues, langärmeliges Unterhemd und ein graues Sweatshirt mit der rotfarbenen Aufschrift "Original". Die Vermutung: Opfer und Täter könnten gemeinsam im Wagen, aus Belgien kommend Richtung Bitburg unterwegs gewesen sein, als es womöglich zum Streit und der anschließenden tödlichen Auseinandersetzung kam. Ein Ermittler, der seinerzeit mit dem Fall befasst, glaubt, dass es sich um eine Auseinandersetzung im Drogenmilieu gehandelt haben könnte. Bei dem Toten seien allerdings keine Hinweise auf Drogenkonsum gefunden worden, meint der Chef der Trierer Mordkommission.
Weil die Ermittler damals keine Hinweise auf das Opfer finden, wird das Bild des unbekannten Mannes vermutlich nordafrikanischer Herkunft veröffentlicht, die Fingerabdrücke des Toten mehrfach mit Dateien anderer Länder abgeglichen - ohne Erfolg. Auf diverse Aufrufe der Polizei in den Medien melden sich auch keine Zeugen, denen etwas aufgefallen ist, was mit dem Gewaltverbrechen in Verbindung stehen könnte. "Der Fall gibt von der Sachlage wenig her", sagt Chef-Ermittler Soulier, "und wir haben auch kaum Spuren gefunden."
An einem Freitag Anfang Februar 2002 wird der unbekannte Tote auf dem Gemeindefriedhof in Sellerich beigesetzt; auf der Gemarkung des im Altkreis Prüm gelegenen 350-Sellen-Orts wurde der Leichnam entdeckt. Bei dem Begräbnis sind neben dem Bestatter ein Ruhestandsgeistlicher anwesend, der ein Gebet spricht, die Küsterin und zwei Arbeiter, die das Grab ausgehoben haben. "Es war die kleinste Beerdigung, die ich je erlebt habe", meint seinerzeit der damalige Ortsbürgermeister Albert Lenz. Große Hoffnungen, dass der Tote eines Tages identifiziert und in sein Heimatdorf überführt werden wird, hat er nicht. "Das Grab", prognostiziert er, "wird eines Tages wieder eingeebnet werden." So wie es aussieht, behält der ehemalige Ortsbürgermeister recht.Extra: RÜCKBLICK UND VIDEO

 Ein schlichtes Holzkreuz mit Christusfigur ziert das Grab des unbekannten Toten auf dem Sellericher Friedhof. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Ein schlichtes Holzkreuz mit Christusfigur ziert das Grab des unbekannten Toten auf dem Sellericher Friedhof. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

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 Der Tote hatte diese Lederhalbschuhe an. Foto: Polizei

Der Tote hatte diese Lederhalbschuhe an. Foto: Polizei

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 Diese braune Cordhose trug der unbekannte Mann. Foto: Polizei

Diese braune Cordhose trug der unbekannte Mann. Foto: Polizei

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 Am linken Handgelenk hat der Unbekannte eine fünf Zentimeter lange Narbe. Foto: Polizei

Am linken Handgelenk hat der Unbekannte eine fünf Zentimeter lange Narbe. Foto: Polizei

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 Blick aus dem Polizeihubschrauber auf den Tatort. Etwa in Höhe der Fahrzeuge wurde der Leichnam des unbekannten Toten auf der Böschung (roter Pfeil) entdeckt. Foto: Polizei

Blick aus dem Polizeihubschrauber auf den Tatort. Etwa in Höhe der Fahrzeuge wurde der Leichnam des unbekannten Toten auf der Böschung (roter Pfeil) entdeckt. Foto: Polizei

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 Auf der Böschung, keine zehn Meter von der Autobahntrasse entfernt, wurde der Leichnam gefunden.Foto: Polizei

Auf der Böschung, keine zehn Meter von der Autobahntrasse entfernt, wurde der Leichnam gefunden.Foto: Polizei

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(sey) Der Mord an dem unbekannten Mann ist der sechste Fall in der Volksfreund-Serie über ungelöste Verbrechen in der Region Trier. Im ersten Teil (TV vom 1. Februar) berichteten wir über den Mord an der Prostituierten Simone Dewenter, im zweiten Teil (TV vom 6. März) über den Mord an der Morbacherin Anna Wilbert, im dritten Teil (TV vom 11. April) über den Mord an dem Gerolsteiner Ulrich Oehms, im vierten Teil über den Mord an der Prostituierten Maria Goncalves (TV vom 9. Mai) und zuletzt über das Gewaltverbrechen an der Triererin Beatrix Hemmerle (TV vom 12. Juni). Zu jeder Folge sind im Internet unter volksfreund.de/morde weitere Informationen abrufbar. Dort gibt es zum jüngsten Fall auch ein Video-Interview mit dem Chef der Trierer Mordkommission, Christian Soulier.

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