Ein Landesvater auf Abwegen

Wenn Rheinland-Pfalz am 18. Mai offiziell seinen 60. Geburtstag und Verfassungstag feiert, ist Kurt Beck in seinem Element: Der allseits geschätzte Landesvater kann "nah bei den Menschen" sein und als Alleinregent in Mainz zufrieden auf ein Jahr SPD-Regierung zurückblicken. Vergessen ist dann - zeitweilig - das Wechselbad der Gefühle, das er seit einem Jahr als SPD-Bundeschef durchlebt. Und trotzdem geht sein Blick nach Berlin.

Mainz. Ein Jahr nach der alleinigen Regierungsübernahme im Land staunen die SPD-Genossen nicht schlecht: Die Umfragewerte sind konstant, auch wenn nicht immer die knappe absolute Mehrheit verteidigt werden kann. Doch das überraschende Ende der 15-jährigen sozialliberalen Koalition ist ohne großen Widerhall geblieben. Seine Partei sei dem überwältigenden Vertrauensvorschuss gerecht geworden, stellt denn auch ein zufriedener Fraktionschef Jochen Hartloff fest. Wahlversprechen wurden abgearbeitet: Der Kindergarten wird stufenweise kostenlos, Betreuung und Frühförderung im Vorschulbereich werden verbessert. Bildung, Verkehr und Hochschule sind Schwerpunkte bei den Ausgaben. Die Ausgaben bleiben die Achillesferse

Doch gerade die Ausgaben bleiben die Achillesferse der Regierung Beck. Die Neuverschuldung wurde in den vergangenen Jahren derart hochgefahren, dass nur der massive Verkauf von Landesvermögen (1,7 Milliarden Euro an Kredite-Rückforderungen) den Haushalt wenigstens teilweise verfassungskonform hielt. Auch die seit 2006 wieder stärker sprudelnden Steuereinnahmen wurden bislang nur begrenzt genutzt, um die neuen Schulden zurückzufahren. Politisches Gespür schien Beck und die Seinen verlassen zu haben, als sie sich im Frühjahr mit umstrittenen Personalbesetzungen in die Schusslinie manövrierten. Über Monate sorgte die Besetzung zweier Stellen beim Verfassungsgerichtshof für Streit. Gegen viele Widerstände wurde der Präsident des Landessozialgerichtes, Rolf Bartz, zum Chef des Oberlandesgerichtes in Koblenz berufen. Und im Fall des gut dotierten Ruanda-Beauftragten Gerhard Herzog kam Innenminister Karl Peter Bruch nach einem Aufschrei der Empörung bei den Partnerschaftsvereinen um einen Rückzieher nicht herum. Oppositionsattacken von CDU und FDP gegen "roten Filz", Arroganz der Macht und "absolutistischen Regierungsstil" ließen nicht lange auf sich warten. Dass sich die Genossen jedoch bislang nur selbst vorübergehend außer Tritt brachten, hängt auch an der Opposition. Zwar verstand es die FDP unter Fraktionschef Herbert Mertin geschickt, sich von der noch nahen SPD/FDP-Vergangenheit zu lösen, doch vielfache inhaltliche Übereinstimmung lässt Fundamentalkritik kaum zu. Die CDU ist nach ihrem Wahldebakel unter ihrem neuen Vormann Christian Baldauf noch einen schwungvollen Neubeginn schuldig geblieben. Der forsche 39-jährige Jurist aus Frankenthal hat zwar das Talent, auf Menschen zuzugehen, hat es aber noch nicht geschafft, eine inhaltlich klare Oppositionslinie zu ziehen. Er sieht seine Partei noch politisch und finanziell am Boden. Der Fraktions- und Parteichef springt zwar gern auf allerhand Themen von Kohlekraftwerken über Atomstrom bis zur Erbschaftssteuer und versucht auch gern, sich gegen die Große Koalition in Berlin zu profilieren. Eckpfeiler eines Konzeptes für das Land, seine schwierige Finanzlage, Wirtschaftsentwicklung oder Zukunft des Schulsystems vermissen aber auch Partei- und Fraktionsmitglieder, die den neuen Mann noch reserviert beobachten. Von seinem Ziel, die Landes-CDU bis 2011 "zur stärksten Opposition in Deutschland" zu machen, ist er noch weit entfernt. Der kommissarische Generalsekretär Josef Rosenbauer macht "Bremsklötze" in der Fraktion aus und fordert: "Wir müssen erst unseren Laden in den Griff bekommen."Gespannt schaut die Union auf den übermächtigen Beck

In Meinungsumfragen zeigt sich die Union nach ihrem Tiefpunkt von 31 Prozent nur wenig erholt. Gespannt schaut sie vor allem auf den übermächtigen Gegner Beck. Begibt sich der Landesvater auf "Abwege" und wechselt als möglicher Kanzlerkandidat 2009 nach Berlin, werden in Mainz die Karten neu gemischt, so die vage Hoffnung. Bei der SPD gelten vor allem Bildungsministerin Doris Ahnen, Wirtschaftsminister Henrik Hering oder auch Innenminister Karl Peter Bruch, Becks Stellvertreter, als mögliche Nachfolger. Auch wenn das Ass verloren gehen sollte, die Trumpfkarten bleiben in ihren Reihen, sind sich die Genossen sicher.

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