Ein Mensch, der überall nach Anerkennung heischte

Mit dem Tempo eines Flächenbrandes hat sich gestern Morgen die Nachricht in der Stadt Mayen verbreitet, dass der mutmaßliche Kinderschänder, dessen Aufnahmen im Fernsehen gezeigt worden waren, seine Wurzeln in der Region Mayen hat - und hier als Übungsleiter jahrelang Kinder unter seinen Fittichen hatte.

Mayen. Mayen in Schockstarre: Bestürzt und entsetzt haben gestern Mütter und Väter, Vereinsfunktionäre, Nachbarn und Bekannte die grausige Nachricht aufgenommen, dass der mutmaßliche Kinderschänder, der seine Videoaufnahmen im Internet verbreitet hat, aus Mayen kommt. Er soll mehrere Kinder im Alter von fünf bis sieben Jahren sexuell missbraucht haben. Jetzt sitzt er in Haft.

"Ich bin total schockiert", sagt eine Mutter mit bebender Stimme. Ihre beiden Söhne haben jahrelang bei Christoph G. (37) im Turnverein TuS Mayen trainiert. Der Übungsleiter sei oft zu Gast, später fast wie ein Freund der Familie gewesen. "Und er war irgendwie ganz erpicht auf meinen ältesten Sohn", räumt die Mutter ein.

Zwischenfall im Kinderzeltlager



Mit den Teenagern sei der damals 27 Jahre alte Mann öfter ausgegangen, ohne dass die Eltern Verdacht geschöpft hätten. Irgendwann im Laufe der Jahre habe sich ein Gerücht herumgesprochen: Der Übungsleiter soll sich an kleine Jungs herangemacht haben. Beweise dafür gab es zunächst nicht. Ein ehemaliger Nachbar weiß von einem Zwischenfall in einem Kinderzeltlager: Ein Vater habe G. mit einem vorgehaltenen Baseballschläger aus einem Zelt getrieben, in dem sich sein Sohn aufhielt.

Der TuS Mayen trennte sich von seinem Übungsleiter, der weiterzog - zum TuS Kaisers esch. Im größten Verein des Kreises Cochem-Zell mühte sich der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann insbesondere um die ganz Kleinen - drei bis sechs Jahre alte Kinder, die das Turnen bei ihm erlernten und mit ihm zum Gau- und Kinderturnfest fuhren. Kurze Zeit später stellte ihn der TuS als Bürokraft (von 2003 bis 2006) ein, G. erhielt ein sozialversicherungspflichtiges Einkommen.

Die Gerüchteküche brodelte erneut



Die Gerüchteküche brodelte erneut: Eine Mutter aus Kaisers esch erkundigte sich bei ihrer Bekannten - der besagten Mutter aus Mayen -, ob diese etwas von pädophilen Anlagen G.s wisse. Sie konnte es nicht ausschließen. Das Psychogramm des geborenen Leipzigers - er kam mit seiner Familie 1989 in den Westen - zeigt einen Menschen, der überall nach Anerkennung heischte. Er kurbelte eine "Newcomer Night" für Nachwuchsmusiker in Mayen an, setzte neue Impulse beim Nikolausturnen in Kaisersesch. "Er legt großen Wert auf das Warmmachen der Muskeln, bevor es an die Geräte geht", sagte eine Augenzeugin seinerzeit.

Auf vielen Ebenen gab der gebürtige Leipziger den Vereinsmeier: als Musiker im Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Mayen, als Trommler im Fanfarencorps, im Angelverein oder im Junggesellenverein. In den Jahren 2002 bis 2004 übernahm er in Hambuch (Kreis Cochem-Zell) überdies die Gastwirtschaft "Zum Lausbub". "Er brachte sich gleich für die Kirmes ein, trat beim Karneval in der Bütt auf", erinnert sich ein Hambucher Gemeinderatsmitglied. Unter anderem ließ er eine Kindergruppe in der Narrhalla tanzen. Auf der Online-Plattform "Wer kennt wen" hat er Fotoalben eingestellt - und sein Motto hinterlassen: "Auch wenn man erwachsen ist, sollte man immer Kind bleiben." Seine Seite ist seit vorgestern Abend gelöscht.

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