Ein Parkhaus als Millionengrab

TRIER. Fass ohne Boden: 8,47 Millionen Euro haben die Stadtwerke Trier (SWT) für den Bau des Parkhauses Ostallee aufgewendet. Durch diese Immobilie sind bislang Verluste von insgesamt 3,1 Millionen Euro entstanden. In Zukunft muss mit weiteren Fehlbeträgen von mindestens 200 000 Euro jährlich gerechnet werden. Dabei hätten sich die Stadtwerke die Investition sparen können, denn die Trierer Wohnungs- und Gewerbebau AG (Triwo) hätte nach eigenen Angaben ein Parkhaus für 3,2 Millionen Euro gebaut.

 P.i.T = Parken in Trier GmbH, WW = Wasserwerk, VSE = Vereinigte Saar-Elektrizitätswerke, TBV = Trierer Bürgerverein 1864 AG, VMS = Verkehrs-Management und Service GmbH.

P.i.T = Parken in Trier GmbH, WW = Wasserwerk, VSE = Vereinigte Saar-Elektrizitätswerke, TBV = Trierer Bürgerverein 1864 AG, VMS = Verkehrs-Management und Service GmbH.

Foto: Grafik: Stadtwerke

Die Stadtwerke Trier befinden sich in einem schwierigen Prozess der Umstrukturierung. Um den Konzern im liberalisierten Markt wettbewerbsfähig zu machen, werden insbesondere der Belegschaft schmerzhafte Opfer abverlangt. Bis 2007 wird rund ein Drittel des Personals abgebaut. Betriebsbedingte Kündigungen sind bislang nicht erfolgt, aber 230 Mitarbeiter werden in den Vorruhestand geschickt oder müssen Altersteilzeit akzeptieren.Durch diesen "drastischen Personalabbau" und die "gewaltigen Anstrengungen", wie es die Stadtwerke formulieren, hat sich in den vergangenen Jahren eine wesentliche Verbesserung des Ergebnisses ergeben. So schüttete der Konzern 2002 rund zwölf Millionen Euro Gewinn an seinen einzigen Gesellschafter, die Stadt Trier, aus. Ein Jahr zuvor waren es 1,8 Millionen Euro gewesen. Dies dokumentiert nach Ansicht von Aufsichtsrats-Chef Helmut Schröer (CDU) "die hervorragende strategische Ausrichtung" des Konzerns.Der Personalabbau schien bislang geräuschlos über die Bühne zu gehen, doch hinter den Kulissen gärt es offenbar. Kurz vor Weihnachten kam bei einem internen Seniorentreffen der Stadtwerke unter anderem das Parkhaus Ostallee in einer Rede des Betriebsrats-Vorsitzenden Manfred Adams zur Sprache. Dieses Parkhaus mit 532 Stellplätzen wurde im September 2001 eröffnet.Der Bau hat nach Angaben des Unternehmens zum 31. Dezember 2003 Kosten von 6,87 Millionen Euro verursacht. Ein bemerkenswerter Fakt, denn am 17. November 2001 verkündete der ehemalige Geschäftsführer Ewald Thisse im TV die "wichtige Botschaft", voraussichtlich werde der durch Beschluss des Aufsichtsrates vorgegebene Kostenrahmen von 6,64 Millionen Euro um rund eine halbe Million unterschritten.Grundstück nicht kalkuliert

Den Kosten von 6,87 Millionen Euro stehen einmalige Einnahmen von 3,88 Millionen Euro gegenüber. So viel Geld bekamen die Stadtwerke für die Überlassung eines "Dauernutzungsrechtes" für 382 Parkplätze an die Trierer Wohnungs- und Gewerbebau AG (Triwo). Somit bliebe zunächst ein Betrag von 2,99 Millionen Euro, der durch weitere Einnahmen erwirtschaftet werden müsste, um die Investition zu rechtfertigen.Bemerkenswert ist, dass Ewald Thisse das Grundstück, auf dem die 382 Stellplätze der Triwo stehen und das zivilrechtlich weiterhin den Stadtwerken gehört, kalkulatorisch nicht berücksichtigte, obwohl es faktisch weder nutzbar ist noch verkauft werden kann. Aus kaufmännischer Sicht wäre es geboten gewesen, dieses 3794 Quadratmeter umfassende Grundstück, dessen derzeitiger Wert nach Angaben des Unternehmens 1,6 Millionen Euro beträgt, sehr wohl zu kalkulieren. Denn die Stadtwerke sind aufgrund des an die Triwo vergebenen Dauernutzungsrechtes faktisch kein wirtschaftlicher Eigentümer mehr.Zum Vergleich: Verkauft ein Privatmann sein Haus, wird er schwerlich das Grundstück behalten, über das er nicht mehr verfügen kann.Wird der Grundstückswert von 1,6 Millionen Euro mit den Baukosten von 6,87 Millionen Euro addiert, ergeben sich Gesamtaufwendungen für das Parkhaus von 8,47 Millionen Euro. Nach Abzug der einmaligen Einnahmen von rund 3,88 Millionen Euro für den Verkauf des Dauernutzungsrechts an die Triwo bliebe ein zu erwirtschaftender Betrag von 4,59 Millionen Euro.Die Bewirtschaftung des Parkhauses ist jedoch kaum möglich, weil sie vertraglich mit der Triwo nur unzureichend geregelt wurde. Im ersten Notarvertrag vom 13. April 2000, der in einem weiteren am 26. September 2001 abgeändert wurde, heißt es: "Der Betrieb und die Bewirtschaftung der dem Dauernutzungsrecht unterliegenden Stellplätze steht dem Dauernutzungsberechtigten zu; der Betrieb und die Bewirtschaftung der übrigen Stellplätze steht dem Eigentümer zu." Ausdrücklich wird in dem von Ewald Thisse und Triwo-Vorstand Peter Adrian unterschriebenen Schriftstück weiter vermerkt, dass "etwa erzielte Einnahmen" zu knapp zwei Dritteln an die Stadtwerke und zu einem Drittel an die Triwo fließen sollen.Die Crux: Während die Stadtwerke das Parkhaus bewirtschaften müssen, hat sich die Triwo vertraglich gegenüber den Einzelhandels-Mietern des Alleencenters verpflichtet, ihnen kostenloses Parken zu ermöglichen. Dieses Recht, das ihr in den Notarverträgen mit keinem Wort verwehrt wurde, nimmt sie natürlich in Anspruch - zu Lasten der Stadtwerke. Diese nahmen im Jahr 2002 lediglich 145 000 Euro und ein Jahr später 206 000 Euro an Parkgebühren ein.Die spärlichen Einnahmen decken nicht einmal die Unterhaltungskosten des Parkhauses. Pro Jahr fallen Ausgaben in Form von Betriebskosten (173 000 Euro), Zinsbelastungen (140 000 Euro) und Normalabschreibungen (132 000 Euro) an.Zusammenfassend verzeichnen die Stadtwerke nach derzeitigem Stand ein Minus von 3,1 Millionen, das sich aus Fehlbeträgen von 1,5 Millionen Euro und dem faktischen Verlust des eingesetzten Grundstückswertes von 1,6 Millionen Euro zusammensetzt. Für die Jahre 2004 und 2005 sieht die optimistische Ergebnisplanung, die lediglich auf Umsatzzuwächsen in den vergangenen beiden Monaten beruht, ein weiteres Minus von insgesamt 442 000 Euro vor. Aufgrund der rechtlichen Lage wird das Parkhaus Ostallee den Stadtwerken in Zukunft ausschließlich rote Zahlen bescheren.Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der Konzern in der Vergangenheit alles versuchte, um die Einnahmesituation zu verbessern. Geschäftsführer Martin Cirener drängte die Triwo seit seinem Amtsantritt im März 2001 beständig, die kostenlose Parkzeit zu reduzieren. Der Grund: "Wir verlieren täglich viel Geld" ( TV vom 24. Juli 2003).Rechtsstreit endet mit Vergleich

Es kam zum Rechtsstreit zwischen beiden Parteien. In einem Schriftwechsel, der dem TV vorliegt, zeigten die Stadtwerke ihre Misere selbst auf. So ließ die Kanzlei Haufs-Brusberg & Kollegen als Vertreter der Gesellschaft die Triwo am 11. Februar 2003 wissen, für das Jahr 2002 sei den Stadtwerken ein Umsatz durch Parkgebühren in Höhe von 1,05 Millionen Euro entgangen. Für die erste Parkstunde wurden 435 546 Euro errechnet, für die zweite 344 342 Euro und für die dritte Stunde 273 140 Euro.Es kam schließlich zum Prozess vor der Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Trier, der am 2. Oktober 2003 mit einem Vergleich endete. Die Triwo verpflichtete sich darin, vom 1. November 2003 an die kostenlose Parkzeit von drei auf zwei Stunden zu reduzieren. Ausdrücklich wurde allerdings festgehalten, dass die Triwo nicht grundsätzlich an diese Regelung gebunden ist. Sollte es ein Einzelhändler des Alleencenters verlangen, kann die kostenlose Parkzeit jederzeit wieder ausgedehnt werden.Unweigerlich stellt sich die Frage, ob die Verluste nicht absehbar waren. Um dies besser abschätzen zu können, hätte der Aufsichtsrat der Stadtwerke vor dem Baubeschluss schriftlich eine Wirtschaftlichkeitsrechnung benötigt. Die bekam er jedoch erst im Oktober 2001, als das Parkhaus längst eröffnet war. Ewald Thisse hatte dem Gremium zuvor lediglich mündliche Erläuterungen gegeben. Dass die Triwo von Anfang an für ihre Stellplätze kostenloses Parken anbieten wollte, hatte Vorstand Peter Adrian schon am 8. Dezember 1999, vier Monate vor dem Abschluss des ersten Notarvertrages mit den Stadtwerken, öffentlich im TV mitgeteilt. Zu dieser Zeit hatte die Triwo bereits nahezu sämtliche Verträge mit den künftigen Mietern des Alleencenters unter Dach und Fach, wie Adrian ebenfalls berichtete. Dies sei bei einer Investitionssumme von 40 Millionen Euro unumgänglich gewesen, um entsprechende Kredite bei den Banken zu bekommen. "Wir haben bezüglich des kostenlosen Parkens stets mit offenen Karten gespielt", bekräftigt Adrian rückblickend.Der SWT-Aufsichtsrat hätte folglich den damaligen Geschäftsführer Thisse anhalten müssen, kostenloses Parken zu Lasten der Stadtwerke zu verhindern oder es zumindest zeitlich einzuschränken. Es wurde darüber auch diskutiert, doch eine konkrete Beschlussfassung erfolgte nach Angaben des Konzerns nicht. So wurden Notarverträge zwischen den Stadtwerken und der Triwo besiegelt, die keine Angaben zum kostenlosen Parken enthalten.Mithin liegt die Vermutung nahe, dass das Parkhaus politisch gewollt war und die späteren Millionenverluste in Kauf genommen wurden. Auch die nicht vorgenommene Kalkulation des Grundstückes deutet in diese Richtung. Wäre sie erfolgt, hätte die Gefahr bestanden, dass die wirtschaftlichen Risiken des Parkhaus-Baus aufgefallen wären, und es wäre womöglich zu einer Ablehnung des Projektes gekommen.Im Nachhinein hätte der Aufsichtsrat zumindest seiner Kontrollfunktion und seiner Pflicht, Schaden vom Unternehmen abzuwenden, nachkommen müssen. Darauf wurde er durch den Bericht der Wirtschaftsprüfer im Oktober 2001 aufmerksam gemacht. In diesem Bericht wurde unter Anlage VII, Seiten 18 ff., in dem es um die "Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung" geht, die zum Nachdenken anregende Frage aufgeworfen, ob dem Aufsichtsrat geeignete Unterlagen vorgelegt worden waren, "um eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Entscheidung zu ermöglichen".Warnungen im Geschäftsbericht 2001

Spätestens nach Kenntnisnahme des Geschäftsberichtes 2000, der am 26. Oktober 2001 vorgelegt wurde, hätte der Aufsichtsrat handeln müssen. Der Bericht wies auf "Risiken beim Parkhaus Ostallee" hin und darauf, dass Rückstellungen von rund einer halben Million Euro "für drohende Verluste" gebildet werden mussten. Diese Hinweise wurden offenbar geflissentlich ignoriert, denn sie blieben letztlich folgenlos.Trotz zweier Sitzungen des SWT-Aufsichtsrates am 5. und 30. November 2001, einer nicht-öffentlichen Sitzung des Stadtrates am 17. Dezember 2001 sowie der öffentlichen Diskussion, hervorgerufen durch einen TV -Bericht am 20. Dezember 2001, zog der Aufsichtsrat als Kontrollorgan in Bezug auf die Fragen, ob der Schaden nachträglich behoben werden kann und wer dafür verantwortlich ist, keine Konsequenzen. "Ausführlich und eingehend" sei das Thema im Aufsichtsrat diskutiert worden, "einschließlich der wirtschaftlichen Auswirkungen", heißt es in einer Antwort der Stadtwerke auf eine TV -Anfrage.Am 22. Februar 2002 wurde über die Entlastung Ewald Thisses für das Geschäftsjahr 2000 kontrovers diskutiert, doch letztlich bekam er sie mehrheitlich. Unter anderem muss Aufsichtsrats-Chef Helmut Schröer zugestimmt haben, denn er rechtfertigte diesen Beschluss später mehrfach mit dem Hinweis auf die großartige Gesamtleistung seines langjährigen Parteifreundes Thisse.Die Entlastung war eine Entscheidung von großer Tragweite, denn damit konnte der ehemalige SWT-Chef nicht mehr in Regress genommen werden, was grundsätzlich möglich gewesen wäre. Die Stadtwerke verzichteten mit der Entlastung auf einen eventuellen Anspruch gegen Thisse. Wäre die Entlastung seitens des Aufsichtsrates verweigert worden, hätte vielleicht auch eine so genannte "D&O-Versicherung" in Anspruch genommen werden können. Diese Versicherung übernimmt Haftungspflichten bei einem nachgewiesenen Fehlverhalten der Organe der Gesellschaft bis zu einer Deckungssumme von 5,11 Millionen Euro.Die Frage nach der Verantwortung für die roten Zahlen stellten sich bislang weder der im Ruhestand befindliche Ewald Thisse noch Mitglieder des Aufsichtsrates oder dessen Vorsitzender. "Es ist nicht Aufgabe des Aufsichtsrates, bei der Umsetzung von Beschlüssen mitzuwirken. So war ich als Aufsichtsratsvorsitzender natürlich nicht an den konkreten Verhandlungen und auch nicht bei Vertragsabschlüssen (...) beteiligt", ließ OB Helmut Schröer am 22. Dezember 2001 im TV verlauten. Der Aufsichtsrat sei "reines Kontroll- und nicht Geschäftsführungsorgan". Aufsichtsratsmitglied Gilbert Felten (CDU) äußerte sich ebenfalls öffentlich. Er beklagte am 10. Januar 2002 im TV , das Parkhaus Ostallee werde "gezielt in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt".Thisse: "Miesmacherei ist fehl am Platz"

Stets durch weite Teile des Aufsichtsrates und insbesondere durch den Trierer OB gestärkt, pflegte Ewald Thisse Kritiker des Parkhauses Ostallee zu belehren. "Miesmacherei ist fehl am Platz", beschied er ihnen am 17. November 2001 im TV . Dass der OB, der 1993 die Bestellung Thisses zum Werkdirektor maßgeblich vorangetrieben hatte, dessen Arbeit stets in den höchsten Tönen lobt, obgleich ihm die durch das Parkhaus Ostallee verursachten Verluste bekannt sind, spricht für sich.Nicht verwundern kann angesichts der Brisanz des Themas die Tatsache, dass der TV wochenlang vergeblich auf die am 3. Oktober 2003 beantragte Herausgabe der SWT-Geschäftsberichte drang. Erst durch nachhaltiges Insistieren bekam er sie. Intern wurden die SWT-Mitarbeiter am 8. Oktober 2003 per E-Mail unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen davor gewarnt, Informationen über das Unternehmen preiszugeben. Die Mitglieder des Aufsichtsrates wurden mehrfach an ihre Verschwiegenheitspflicht erinnert, verbunden mit dem Hinweis auf strafrechtliche Konsequenzen.Mitte Oktober 2003 luden die Stadtwerke zu einer Bilanzpressekonferenz ein. Den Journalisten wurden die "hervorragenden Perspektiven" des Konzern aufgezeigt. Diese resultieren allerdings vorwiegend aus dem Personalabbau und den damit verbundenen Kostensenkungen. Gegenüber den Mitarbeitern, die ihren Job verloren haben oder ihn verlieren werden, drückte OB Schröer sein Bedauern aus. Sinngemäß sagte er, er sei über diese menschlichen Schicksale zutiefst betrübt.Nicht betrübt ist der Oberbürgermeister offenbar darüber, dass dieses Modell einer privat-öffentlichen Partnerschaft (Public Private Partnership = PPP) zu Lasten der Stadtwerke und zu Gunsten des privaten Investors Triwo funktioniert. Während die Stadtwerke Verluste in Millionenhöhe verzeichnen, kassiert die Triwo nach TV -Berechnungen per anno rund drei Millionen Euro für die Vermietung der Nutzflächen von rund 22 500 Quadratmetern im Alleencenter. Die Mietpreise von 10 bis 14 Euro pro Quadratmeter begründete die Triwo stets mit einem unschätzbaren Vorteil für den Einzelhandel: kostenloses Parken. Sollte sich die Triwo AG eines Tages dazu entschließen, die Immobilie zu verkaufen, dürfte sich dieses für sie finanziell positiv auswirken.Zufrieden mit dem Geschäft ist Triwo-Vorstand Peter Adrian gleichwohl nicht. "Wir hätten das Parkhaus für 3,2 Millionen Euro gebaut. Für das Dauernutzungsrecht haben wir mehr bezahlt."

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