Ein Treffen der Zumutungen

Berlin . Die nach der Wahl zeitweise hochgehandelte "Jamaika-Koalition" aus CDU/CSU, FDP und Grünen wird nach einem Treffen von Union und Grünen zunehmend unwahrscheinlich.

Claudia Roth, die so gerne emphatisch fassungslos ist, kann es auch diesmal nicht wirklich glauben - Edmund Stoiber beißt ja gar nicht: "Ich habe noch nie so lange mit dem bayerischen Ministerpräsidenten an einem Tisch gesessen. Das war angenehm", ist die aufgeregte Grünen-Chefin von sich und dem CSU-Mann schlichtweg erstaunt. Und dann noch dies: "Es war ein wichtiger, vielleicht historischer Moment. Auch für mich", schwebt sie vor der schweren Holztür der parlamentarischen Gesellschaft im Schatten des Reichstages hinweg in andere Sphären. Aus Roths ganz persönlicher Therapie lässt sich jedoch kein positives Gruppenerlebnis ableiten. Das Sondierungsgespräch von Union und Grüne stellt sich vielmehr nach qualvollen anderthalb Stunden als Flop heraus."Jamaika", die viel diskutierte Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grüne, verschwindet also wieder im Debattenkeller der Geschichte. Auch wenn's menschlich anscheinend unerwartet nett zuging, für beide Seiten muss das Treffen eine Zumutung gewesen sein. Ein anderer Rückschluss liegt nicht nahe, betrachtet man die Bewertungen, die dem gestrigen Acht-Augen-Gespräch folgen: "Außerordentlich groß" seien die Differenzen gewesen, meint Grünen Ko-Chef Reinhard Bütikofer, "auf der programmatischen, personellen und kulturellen Ebene". Ein vernichtendes Urteil ist das aus Bütikofers Mund. Überall passt die schwarze und die grüne Welt nicht zusammen, und passend gemacht werden kann sie nicht. Unüberbrückbare, "ideologische Grundverschiedenheiten" hat ebenso Edmund Stoiber erkannt, der sich extra eine grüngestreifte Krawatte umgebunden hat. Zum Glück, wird sich der CSU-Chef innerlich gedacht haben. Vielleicht hat er es aber auch darauf angelegt. Denn der Druck aus dem verärgerten, christsozialen Freistaat auf den alternativ flirtenden, obersten Bajuwaren war in den letzten Tagen unaufhörlich gestiegen, bloß nicht mit den Ökopaxen eine Liaison zu beginnen. Nun kann Stoiber beruhigt nach München reisen und sagen, es geht nicht. Für die Grünen wiederum verbindet sich mit dem Treffen dennoch ein indirekter Erfolg: Wenn auch aus der politischen Not heraus, dass die Union um sie geworben hat, kommt nach Jahren der barschen Ablehnung einem kleinen, anerkennenden Ritterschlag gleich - mit den grünen Schmuddelkindern von einst darf also ab jetzt gespielt werden. Nur nicht zu intensiv.

Einzig Angela Merkel, die Verliererin des gestrigen Tages, hat noch etwas Hoffnung. Muss sie auch haben. "Ich hätte gerne noch im Detail darüber gesprochen, wo die Schnittmengen sind", kann sie ihren Frust über den Ausgang des Treffens nicht verbergen. Nach dem zweiten Gespräch mit der SPD in der kommenden Woche müsse man halt erneut schauen, ob man sich eventuell wieder mit den Grünen treffe. Der Wunsch ist Vater des Gedankens. Merkel will sich die vage "Jamaika-Option" eben noch nicht aus der Hand nehmen lassen, um mehr Druck auf die Genossen ausüben zu können. De facto hat sie jetzt aber eine Koalitionsvariante weniger, weshalb die Große Koalition als letzte Option schneller als erwartet kommen könnte. Da sowohl Merkel und Gerhard Schröder in einer solchen Konstellation die Kanzlerschaft beanspruchen, und beide werden davon freiwillig kaum abrücken, wird nun immer wahrscheinlicher, dass die Hochzeit von Union und SPD mit zwei neuen Spitzenleuten begangen werden könnte. Die Namen Roland Koch, Hessens CDU-Ministerpräsident, und Peer Steinbrück, ehemaliger SPD-Regierungschef in Nordrhein-Westfalen, kursieren hartnäckig in Berlin.

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