Ein "Typ" im glatten Polit-Geschäft

TRIER. Er gehörte zu den prägenden Köpfen der friedlichen Revolution in der DDR: Rainer Eppelmann, damals Pfarrer, heute Politiker. Am Wochenende referierte er bei einem Seminar auf der Katholischen Akademie - und erinnerte sich im TV -Gespräch an ungewöhnliche Trier-Erfahrungen.

Die Teilnehmer am Seminar "Medien und Politik" im Robert-Schuman-Haus hoch über den Dächern von Trier hätten es kaum besser treffen können. Rainer Eppelmann verfügt über die nötigen Insider-Kenntnisse, aber auch über die Bereitschaft, einen Einblick in die Mechanismen des "Betriebes" zu gewähren. Schon die unüberhörbare Berliner Schnauze und die vom Polit-Kauderwelsch freie Wortwahl weisen ihn als "Typen" im glatten Politik-Geschäft aus. Das hängt mit seiner Biographie zusammen. Maurer, politischer Häftling, Pfarrer, fünffacher Vater, letzter DDR-Verteidigungsminister, Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender der CDU-Arbeitnehmer, Talkshow-Stammgast: Wer einen so verschlungenen Lebenslauf aufzuweisen hat, passt nicht ins Schema klassischer Polit-Karrieren. Es freut ihn sichtlich, dass sich noch jemand an seinen ersten Trier-Aufenthalt erinnert. Das war am 9. September 1987, als sich Polit-Prominenz und Schaulustige um Erich Honecker scharten, der bei seinem Staatsbesuch gemeinsam mit Helmut Kohl im Palastgarten Halt machte. Eppelmann stand damals auf dem Kornmarkt bei dem verlorenen Häuflein von Gegendemonstranten, das dem Protest-Aufruf von Christoph Böhrs Junger Union gefolgt war. Man hatte den bekannten Systemkritiker auf Geburtstags-Verwandtenbesuch in den Westen gelassen. So nahe wie in Trier sei er "dem größten Arbeitersohn der Republik" in der DDR nie gewesen, erinnert Eppelmann sich heute. Jahre später, nach dem Sturz, habe er Honecker auf die Situation angesprochen - aber der "redete nur von den schrecklichen Sicherheitsmaßnahmen in der BRD". "Damals notfalls auf der Leiter zurück in die DDR"

Ob er Angst gehabt habe, nicht wieder einreisen zu dürfen? "Das schon", sagt Eppelmann. Aber er sei wild entschlossen gewesen, "notfalls eine Leiter auf die westliche Seite zu stellen und zurück zu klettern in meine DDR". Hätte ihm damals jemand gesagt, er werde innerhalb von zwei Jahren einer der höchsten Repräsentanten jenes Staates sein, der ihn verfolgte, "dann hätte ich gedacht, der gehört in die Irren-Anstalt". Das abrupte Ende der DDR katapultierte ihn von einem Tag zum anderen ins politische Rampenlicht. Aber anders als die meisten Bürgerrechtler entschloss er sich, "nicht ins normale Leben zurückzukehren". Es sei "die Angst vor der Rücksichtslosigkeit des Westens" gewesen, die ihn dazu bewegte. Eigentlich wollte er "nur vorläufig" in der Politik bleiben, aber inzwischen habe er erkennen müssen, "dass die Einheit noch eine Generation brauchen wird". Dass er seither auf die "Ossi-Expertenrolle" festgelegt ist, daran hat er sich gewöhnt. Schließlich sei er einer, "der tatsächlich was weiß über diese Dinge". Und Aufklärungsbedarf sieht er noch in Hülle und Fülle. Schon der Begriff "Wende" bringt ihn auf die Palme. Der sei "von Egon Krenz erfunden worden, als er Honecker ablöste". Seither firmiere jede Veränderung als Wende, "selbst die von Erich Ribbeck zu Rudi Völler". Da kann er sich in Rage reden, ohne das rhetorische Augenzwinkern zu vergessen. Auch die aktuelle Ostalgie-Welle stößt ihm sauer auf. "Unhygienisch" nannte er die massenhaften Fernseh-Shows kürzlich in einem "Welt"-Interview. Medien seien "leider auch nur noch eine Ware", und nach dem Erfolg des Films "Good-bye Lenin" habe man erkannt, "dass da was zu verdienen ist". Der Brandenburger Abgeordnete übersieht allerdings nicht, dass die Ostalgie für viele ehemalige DDR-Bürger "auch eine Art Rehabilitierung" ist. Vor allem im Westen habe man "zu oft undifferenziert geredet". Wer die DDR-Diktatur verurteile, müsse deutlich machen, "dass er nicht die 16 Millionen normalen Leute meint". Dass die Solidarität im Westen dramatisch abnimmt, macht Rainer Eppelmann Sorgen. Auch in den alten Ländern gebe es Regionen mit katastrophaler Arbeitslosigkeit, "aber bei uns ist das flächendeckend so". Den rigorosen Abbau von Subventionen und Sozialleistungen, wie ihn die CDU mit dem Herzog-Konzept anstrebt, sieht der langjährige Blüm-Mitstreiter mit unüberhörbarer Skepsis. In dieser brisanten Frage werden seine Aussagen dann aber etwas weniger deutlich. Er wolle "nicht ganz ausschließen, dass die Gefahr besteht, dass sich das schlecht für den Osten auswirkt". Aber er glaube, dass "letztlich doch Erhards soziale Marktwirtschaft für die CDU maßgeblich bleibt". Da entdeckt der Politiker Eppelmann dann doch noch den Pfarrer wieder - der Glaube muss es letztlich richten.

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