"Ein einfaches Steuerrecht wird es nicht geben"

TRIER. Mit einem Referat des renommierten Kölner Steuerrechtlers Joachim Lang hat das Finanzamt Trier seine Veranstaltungsreihe mit prominenten Gast-Rednern fortgesetzt. Wer sich Patentrezepte für die heiß diskutierte Frage nach einem einfachen, aber gerechten Steuersystem erhofft hatte, musste seine Erwartungshaltung leicht korrigieren.

Seit dem unglücklichen Ausflug von Paul Kirchhof in die Niederungen des Wahlkampfs ist der Platz des Steuer-Papstes in Deutschland vakant. Als erster Anwärter auf den virtuellen Posten gilt der Vorsitzende der parteiunabhängigen "Kommission Steuergesetzbuch", der Kölner Professor Joachim Lang. So konnte der Vorsteher des Trierer Finanzamts, Jürgen Kentenich, einen würdigen Nachfolger für Bischof Reinhard Marx und Bitburger-Chef Axel Simon in seiner Veranstaltungsreihe zu steuerpolitischen Themen präsentieren. Lang machte keinen Hehl daraus, dass er im Gegensatz zu seinem Kollegen Kirchhof "nie in ein Partei-Kompetenz-Team gegangen wäre". Jahrzehntelang habe die "ideologische Lenkungspolitik der Parteien das Steuersystem zerstört". Die dadurch immer weiter getriebene Komplexität des Systems verhindere Gerechtigkeit, statt sie zu fördern. 80 000 neue Prozesse vor den Finanzgerichten jedes Jahr seien ein "schlimmes Zeichen" für die Probleme. Einem radikalen Vereinfachungsmodell Marke Kirchhof erteilte Lang freilich auch eine Absage. Bisweilen begab er sich dabei hart an den Rand des Wahlkampfniveaus, etwa mit der Aussage, wer wie Kirchhof eine "flat tax" wolle, könne direkte, persönliche Steuern "auch gleich abschaffen". Zudem müsse eine Steuerreform aus seiner Sicht "nicht zwangsläufig, wie es offenbar dem Zeitgeist entspricht, die Steuerzahler entlasten". Besonderes Augenmerk widmete Lang der Unternehmensbesteuerung. Zwei Kernthesen markierten dabei den Ausgangspunkt seiner Überlegungen: Das deutsche Unternehmenssteuerrecht allgemein sei "international nicht wettbewerbsfähig", und die Einkommenssteuergesetzgebung im Besonderen sei "nicht mehr zu sanieren". Bei jeder Überarbeitung seines Kommentars - dem deutschen Standardwerk zum Steuerrecht - bekomme er "dauernd Wutanfälle" angesichts der rechtlichen Konfusion, die der Gesetzgeber stifte. Mit zwei zentralen Maßnahmen will er das Chaos neu ordnen. So sollen Unternehmen künftig rechtsformneutral besteuert werden, will heißen: Entscheidend ist nicht mehr, ob der Metzger seine Wurst als Personen-Unternehmen, KG, OHG, GmbH oder Aktiengesellschaft verkauft, sondern wie groß sein Betrieb ist, wie viel investiert und wie viel verdient und/oder ausgeschüttet wird. Zweite Innovation: Der Wust an unterschiedlich behandelten Einkunftsarten soll verschwinden. Geht es nach Lang, wird nur noch zwischen Einnahmen aus unternehmerischer Tätigkeit (dazu gehören auch Mieteinnahmen), aus "normaler" lohnsteuerpflichtiger Arbeit, aus Finanzkapital (Zinsen, Dividenden) und aus Zukunftssicherung (Renten) unterschieden. Optionen, bei denen der Steuerpflichtige nach Gusto entscheiden kann, welche Variante er bevorzugt, will Lang möglichst einschränken. Entscheidender Vorteil sei die "Transparenz des Systems"."Ende der Gewerbesteuer entlastet Betriebe"

Um Unternehmen zu entlasten, will Lang die Gewerbesteuer abschaffen. An ihre Stelle soll eine deutlich niedrigere, am wirtschaftlichen Gewinn orientierte Steuer treten. Zum Ausgleich werden die Gemeinden, in denen das jeweilige Unternehmen seinen Sitz hat, mit einem fixen Prozentsatz an den Lohnsteuer-Einnahmen beteiligt - eine Regelung, gegen die die Kommunen Sturm laufen, weil sie befürchten, dass es ihre Eigenständigkeit reduziert. Mit insgesamt günstigeren Steuersätzen sollen nach dem "Modell Lang" verstärkt Unternehmen nach Deutschland gelockt oder von einer Abwanderung abgehalten werden. Im Gegenzug will der Wissenschaftler "härtere Bemessungsgrundlagen", sprich: weniger Möglichkeiten für Steuerpflichtige, ihre Einnahmen wegzutricksen. Lang berichtete von einem erfolgreichen Unternehmen am neuen Markt, dessen Eigentümer stolz darauf hingewiesen habe, dass er höchstens zehn Prozent seiner Einnahmen real versteuere. Um die Frage der Umsetzbarkeit eines solchen härteren Kurses drehte sich auch die spätere Diskussion mit den Praktikern im Saal, ebenso wie um die zahlreichen Ausnahmeregeln, die Langs Modell aufweist. Es wurde deutlich, dass die Finanzbeamten Zweifel an einer tatsächlichen substanziellen Vereinfachung des Steuerrechts durch die Lang'schen Vorstellungen haben. Ganz so hoch wollte der Kölner Wissenschaftler seine Ziele denn auch nicht setzen: Ein einfaches Steuerrecht, "so wie es manche sich vorstellen", könne es "sowieso nicht geben".

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