Ein lebensfrohes Stehaufmännchen für die Spitze der Partei

Gerade mal zwei Wochen ist es her, da kokettierte er noch mit dem baldigen Abschied aus der großen Politik. Doch daraus wird für Sigmar Gabriel nun vorläufig nichts. Seit Donnerstag ist es offiziell, dass Gabriel sich als nächster Parteichef daran versuchen soll, die SPD vor dem Untergang zu retten.

Berlin. Dem Schröder Gerhard hat er mal die Tür zugeknallt, als der noch niedersächsischer Ministerpräsident und er selbst bloß Abgeordneter der SPD-Fraktion im Landtag von Hannover war. Schröder hat das imponiert, erinnerte es ihn doch an sich. Er fand, aus Sigmar Gabriel werde noch mal was. Als Schröder Kanzler war, hat Gabriel, der nun tatsächlich Ministerpräsident in Niedersachsen geworden war, öfter mal Interviews gegeben, in denen Worte wie "Vodoo-Ökonomie" für das fielen, was der neue Kanzler in Bonn da anstellte. Auch das gefiel Schröder noch, denn als Quertreiber war er ja auch groß geworden. Nur als Gabriel dann für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer war, um seine Wiederwahl in Niedersachsen zu retten, es war 2003, spielte Schröder nicht mehr mit. Das kostete den aus Goslar stammenden "Kugelblitz" den Regierungsposten an der Leine und machte ihn vorübergehend zum Pop-Beauftragten der SPD. Besser gesagt als "Siggi-Pop" (Spitzname) zum Gespött der SPD. Gabriel litt und war froh, als Schröder und Müntefering ihn 2005 wenigstens Umweltminister der Großen Koalition spielen ließen. In diesem Amt betrieb er vier Jahre lang so ernsthaft und engagiert Sacharbeit - etwas, was eigentlich nicht sein Ding ist; so dass man in der Partei seinen höchst berechtigten Ruf, er sei sprunghaft und egozentrisch, inzwischen etwas vergessen hat. Jedenfalls so weit, dass er nun, da es niemand anderen mehr gibt, sogar SPD-Vorsitzender werden soll.

Gabriel hat etwas von der Figur "Theo gegen den Rest der Welt", die Marius Müller-Westernhagen einmal spielte: Provoziert immer, kriegt immer auf die Nase, steht immer wieder auf, provoziert erneut. Gerade hat der 50-Jährige diesbezüglich eine besonders schöne Zeit verbracht.

Die ganze Union samt FDP und Energiekonzerne hat er im Wahlkampf zur Weißglut getrieben; hat fiese Papierchen aus dem Keller seines Ministeriums geholt, aus denen hervorgeht, dass Gorleben von der Regierung Kohl willkürlich als Endlager ausgesucht wurde.

Hat fiese Gutachten erstellen lassen, die zeigen, wie teuer das Atom kommt, wenn man nicht nur auf den Strompreis an der Steckdose guckt, sondern auch auf die Rechnung für Asse. Ein Atomwahlkampf droht? Gabriel rieb sich schon die Hände, als er das Wort im Frühjahr nur hörte. Trotzdem kriegte seine SPD auf den Deckel.

Er selbst übrigens fast auch. Weil seine niedersächsischen Genossen nicht ihn, den Minister, sondern ihren Landesvorsitzenden Garrelt Duin auf Platz eins der Liste für den Bundestag setzten, verzichtete er trotzig auf jedwede Absicherung und setzte alles auf das Direktmandat im Wahlkreis Braunschweig/Wolfenbüttel. Gewonnen, wenn auch knapp, und jetzt muss Duin auch noch klatschen, dass der Mann sein oberster Parteichef wird. So was genießt Gabriel, der auch sonst gern genießt. Das Essen und das Privatleben. Schön, wenn sich das verbinden lässt. Als er in Halle vor kurzem höllische Zahnschmerzen bekam, konnte ihm nur der Notdienst helfen. Die Schmerzen sind weg, die hübsche Zahnärztin nicht. Er lud sie erst zum Abendessen ein und dann dazu, seine Lebensabschnittsgefährtin zu werden, was Anke Stadler annahm.

Gabriel, Markenzeichen Grinsen, Beruf Volkshochschullehrer, Berufung Glückskind, ist irgendwie ein Stehaufmännchen. Und so was kann die SPD ja gerade gut gebrauchen.

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