Ein psychisch kranker Mann im Cockpit

Paris · Der französische Staatsanwalt Robin hat Vorermittlungen zum Germanwings-Absturz wegen fahrlässiger Tötung angekündigt. Dabei soll es um die Frage gehen, warum der Ko-Pilot Andreas L. trotz massiver psychischer Probleme fliegen durfte.

Es ist das Bild eines völlig zerrütteten Menschen, das der französische Chefermittler Brice Robin am Donnerstagabend vom Germanwings-Kopiloten Andreas L. zeichnet. Der 28-Jährige, der am 24. März einen Airbus A320 mit 150 Menschen an Bord in den französischen Bergen zum Absturz brachte, war nach Ansicht des Staatsanwalts von Marseille, der die Ermittlungen leitet, flugunfähig.

Warum der kranke L. sich trotzdem ins Cockpit des A320 setzen durfte, sollen nun Vorermittlungen klären. "Es geht hier um die Flugsicherheit, wenn ein Pilot psychisch labil ist", sagte Robin, der am Donnerstagnachmittag vier Stunden lang mit Angehörigen der Opfer gesprochen hatte. Mehrere Dutzend Kilo hat die Akte Germanwings bereits, die der Jurist auf seinem Schreibtisch hat. Bald wird noch mehr Papier dazukommen, drei Untersuchungsrichter sollen nämlich bald ihre Arbeit aufnehmen und auch gegen Lufthansa und ihren Ableger Germanwings ermitteln. "Aber es gibt keine Beweise, dass Germanwings und Lufthansa über die Probleme auf dem Laufenden waren."

Doch die Krankenakte von L. ist erdrückend. Siebenmal konsultierte er in den Wochen vor dem Absturz Ärzte, dreimal Psychiater. Einer sprach von einer Psychose, die durch seine Augenprobleme hervorgerufen wurde. Der junge Mann klagte nämlich über Schatten im Gesichtsfeld und Lichtblitze, ohne dass die Uniklinik Düsseldorf bei einer Untersuchung eine organische Ursache fand.

Antidepressiva und nur zwei Stunden Schlaf

Doch die Angst vor dem Verlust der Flugerlaubnis war so groß, dass L. zuletzt nachts nur noch zwei Stunden schlief und die doppelte Menge Antidepressiva nahm. Was genau er ab Absturztag eingeworfen hatte, soll eine Untersuchung seines Mageninhalts klären, die noch nicht abgeschlossen ist. "Alle Elemente zeigen, dass er an tiefer Niedergeschlagenheit litt und das Ziel hatte sich umzubringen."

Ob seine Angehörigen über den Zustand des 28-Jährigen auf dem Laufenden waren, wird Robin gefragt. "Die Person, die mit ihm lebte, muss es gewusst haben. Sie hat ihn zum Arzt begleitet." Auf die Angehörigen wartet nun ein langwieriges Verfahren bevor klar ist, wer versagte, so dass L. den A320 am 24. März in den Pic d'Estromp steuern konnte. Die Flugaufsicht war es auf alle Fälle nicht, stellte Robin noch einmal klar. Elfmal hätten die Kontrolleure versucht, Kontakt zum Cockpit des A320 aufzunehmen, ohne dass eine Antwort kam.

In einem nachgestellten Video zeigte der Staatsanwalt den Angehörigen die dramatischen Szenen an Bord. Er sprach auch über die schwierige Identifizierung der Opfer, von denen 44 am Dienstag nach Deutschland überführt wurden. Die sterblichen Überreste von 30 Spaniern sollen am Montag ebenfalls in ihre Heimat zurückkehren. Der Rest soll bis zum Monatsende folgen.

Insgesamt waren 72 Deutsche und 50 Spanier an Bord der Unglücksmaschine. Die Reste, die nicht mehr identifizierbar sind, sollen wahrscheinlich im Juli in einer ökumenischen Zeremonie in Le Vernet beigesetzt werden, wo auch eine Gedenkstätte entstehen soll. Bereits jetzt erinnert dort eine Stele an die Opfer, die die Angehörigen zwei Tage nach dem Absturz besuchten. An jenem Tag hatten sie auch von Robin erfahren, dass L. die Maschine bewusst in den Berg gesteuert hatte. Wie ein Zwischenbericht vor wenigen Wochen ergab, hatte der Ko-Pilot den Sinkflug bereits auf dem Hinflug von Düsseldorf nach Barcelona viermal geübt.

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