Ein regionaler Stresstest

Trier · Die Chefs von vier Sparkassen und drei Genossenschaftsbanken reden beim dritten Bankengipfel des TV Tacheles.

 Rainer Nickels, Kreissparkasse Bitburg-Prüm.

Rainer Nickels, Kreissparkasse Bitburg-Prüm.

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)
 Edmund Schermann, Sparkasse Mittelmosel – Eifel Mosel, Bernkastel–Kues.

Edmund Schermann, Sparkasse Mittelmosel – Eifel Mosel, Bernkastel–Kues.

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)
 Günther Passek, Sparkasse Trier

Günther Passek, Sparkasse Trier

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 Klaus Peters, Raiffeisenbank Westeifel eG in Schönecken.

Klaus Peters, Raiffeisenbank Westeifel eG in Schönecken.

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 Michael Hoeck, Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank in Wittlich.

Michael Hoeck, Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank in Wittlich.

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 Norbert Friedrich, Volksbank Trier.

Norbert Friedrich, Volksbank Trier.

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 Stephan Alt, Kreissparkasse Vulkaneifel Daun.

Stephan Alt, Kreissparkasse Vulkaneifel Daun.

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 Engagierte Diskussion: Mit den Sparkassen- und Volks- und Raiffeisenbankdirektoren diskutierten der stellvertretende Chefredakteur Peter Reinhart und die Redakteure Sabine Schwadorf und Heribert Waschbüsch. Der TV organisiert regelmäßig den Bankengipfel und hinterfragt aktuelle Finanzthemen mit den regionalen Akteuren. TV-Fotos (8): Friedemann Vetter

Engagierte Diskussion: Mit den Sparkassen- und Volks- und Raiffeisenbankdirektoren diskutierten der stellvertretende Chefredakteur Peter Reinhart und die Redakteure Sabine Schwadorf und Heribert Waschbüsch. Der TV organisiert regelmäßig den Bankengipfel und hinterfragt aktuelle Finanzthemen mit den regionalen Akteuren. TV-Fotos (8): Friedemann Vetter

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Trier Sieben Vorstände von Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken, drei TV-Redakteure und 90 Minuten Zeit: Beim dritten Bankengipfel des Trierischen Volksfreunds stand die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) im Mittelpunkt. Wie lange hält die Niedrigzinsphase noch an? Worauf kann ich mich als Verbraucher verlassen?PASSEK Schon beim ersten Bankengipfel haben wir uns über das Thema unterhalten. Im letzten Jahr dachte dann der eine oder andere, dass die Phase zu Ende gehen könnte. Doch in dieser Frage kann man sich darauf verlassen, dass man sich auf nichts verlassen kann.HOECK Zunächst haben wir von Niedrigzinsphase gesprochen, dann von Nullzinsphase und jetzt von Negativzinsphase. Eine weitere Steigerung fällt mir da nicht ein. Für uns, die wir mehr Ökonomen als Politiker sind, ist das schwer einzuschätzen. Einige Teile der Euro-Zone halten steigende Zinsen nicht aus. FRIEDRICH Die EZB hält an ihrer Geldpolitik fest. Sie hat den Zins in die Nähe der Nulllinie gedrückt. Die Zinsen für Verbraucher- und Immobilienkredite bleiben daher weiterhin niedrig. Was gut ist für die Kreditnehmer, ist gleichzeitig eine Katastrophe für Menschen, die auf Zinserträge als wichtiger Bestandteil ihrer zukünftigen Pensionspläne angewiesen sind. NICKELS Das Problem ist nicht nur der Leitzins, sondern auch, dass die EZB Monat für Monat 60 Milliarden Euro in den Markt pumpt. Bevor die EZB eine Zinssenkung vornimmt, wird sie zunächst diese Liquiditätsflutung aufgeben müssen, eine Zinserhöhung ist erst der zweite Schritt. Ich gehe davon aus, dass die Zinsen noch lange auf sehr niedrigem Niveau verharren. ALT Es zeigt sich aber auch, dass die Diskussionen über die Konsequenzen lauter werden: Es gibt Übertreibungen an den Immobilienmärkten und schon erste Vergleiche mit der Subprime-Krise in den USA. Anleger suchen händeringend nach Rendite. Das geht derzeit aber nur auf Kosten des Risikos. SCHERMANN Die Situation ist nicht besser geworden, weder für die Bürger noch für unsere Institute. Europa ist nicht genesen, und so ist das Ganze auch eine riesige Umverteilungsmaschine von Nordeuropa nach Südeuropa. Für unsere Region, für die Menschen hier, ist es bittere Realität, dass es für Erspartes keine Zinsen gibt. Vermögende Kunden können das noch aushalten, aber unsere typischen Kunden, die Familien mit Kindern, haben es deshalb sehr schwer, Vermögen zu bilden. Vielen droht Altersarmut. Teilen Sie dieses Szenario?PETERS Ich würde noch einen draufsetzen. Das Problem ist, dass die Altersversorgung, die die kleinen Leute mit Mühe angespart haben, mit Füßen getreten wird. Schauen wir auf eine Lebensversicherung mit dem veränderten Mindestzins oder die 100 000 Euro, die ein Ehepaar sein ganzes Berufsleben angespart hat: Bei einem Zins von vier Prozent wären das 4000 Euro im Jahr, also etwa 330 Euro im Monat, die sie zu ihrer Rente hinzubekämen. Doch die kommen jetzt nicht. HOECK Vor allem die Jüngeren, die jetzt ein Vermögen zur eigenen Alterssicherung aufbauen müssten, können das kaum. Dabei ist hier nicht einmal der demografische Effekt eingerechnet. Wenn wir auf eine Analyse der DZ-Bank schauen, sehen wir diese Dramatik: Von 2010 bis 2016 haben die Menschen 144 Milliarden Kreditzinsen eingespart, gleichzeitig sind ihnen aber auch 344 Milliarden Euro Einlagenzinsen verloren gegangen. Unterm Strich haben die Bürger fast 200 Milliarden Euro verloren.NICKELS Die Situation ist schwierig und gefährlich. Denn wofür sind wir da? Wir sind Treuhänder der Sparer, nehmen deren Geld entgegen und finanzieren damit vornehmlich den heimischen Mittelstand und den privaten Wohnungsbau in der Region. Das Thema Immobilien ist mehrfach angeklungen. Wie sehen Sie die Situation in Ihrer Region und für die Menschen hier? Für wen lohnt sich eine Immobilie?FRIEDRICH Eine Eigentumswohnung in Trier oder an regionalen Standorten in guter Lage ist wertbeständig. Für den Eigennutzer ist die Immobilieninvestition lohnenswert, zumal wenn sie zukunftssicher, das heißt seniorengerecht, ist. Und sie erspart ihm im Alter steigende Mietkosten.PASSEK Auch bei den jetzigen Preisen ist ein Investment in Trier interessant. Vor allem auch im Vergleich zu anderen Anlagen. Eine Immobilienblase für Trier erwarte ich nicht. Und wer für den Eigenbedarf kauft, ist hier gut aufgehoben. ALT Bei uns in der Vulkaneifel gibt es keine Blase, und es wird auch in hundert Jahren keine geben. Macht es heute noch Sinn, in Wohnungsbau zu investieren? Ja, natürlich! Wenn die Rahmenbedingungen passen, genügend Eigenkapital vorhanden ist und der Finanzierungsplan stimmt. PETERS Es gibt aber schon Unterschiede innerhalb der Region. Der Wunsch nach dem eigenen Heim bei uns in der Westeifel ist ungebrochen hoch. Dennoch muss die Planung realistisch sein. Denn wenn es nicht klappt, ist die Drittverwertung auf dem Land schwierig. SCHERMANN Der niedrige Zins führt leider dazu, dass oft nicht mehr so genau gerechnet wird. Zwar sind die Zinsen extrem niedrig, aber der Hausbau kostet auch ein Drittel mehr als noch vor wenigen Jahren. In unserem Geschäftsgebiet gibt es fast 200 Dörfer, teilweise mit weniger als 100 Einwohnern. In den kleinen, abgelegenen Orten kann man den demografischen Rückgang schon beobachten. Es wird dort zunehmend schwieriger, die alten Häuser adäquat zu verkaufen. In den zentralen Gemeinden und Städten steigen hingegen die Baulandpreise erheblich.NICKELS Die kleinteilige Struktur haben wir auch im Eifelkreis. In Bitburg haben wir eine rege Bautätigkeit. Vor allem Eigentumswohnungen sind gefragt. Die Bauträger haben noch keinen Stein gesetzt, da ist schon ein Großteil der Wohnungen vermarktet. Müssen Sie in anderen Modellen denken, um Ihren Kunden noch etwas anbieten zu können?FRIEDRICH Das tun wir. Wir sprechen mit dem Kunden über seine persönlichen Bedarfsfelder. Nach dem Beratungsgespräch hat der Kunde einen klaren Blick auf das für ihn richtige Anlagespektrum und den Anlagehorizont. Aber wir machen nicht aus einem rein defensiv orientierten Kunden über Nacht einen Aktien- oder Immobilienfondskunden. Hier kommt es auf eine sinnvolle Modellierung des Anlageportefeuilles an. Wir motivieren die Kunden natürlich, noch stärker langfristig zu sparen und Vorsorge zu betreiben. ALT Nichtsdestrotz versuchen wir, dass der Kunde auch Anteile im Portfolio in Immobilienfonds oder auch einen Bestand an Aktien hat, um unabhängiger von der Zinsentwicklung zu werden. HOECK Die Beratung ist eine höchst individuelle Sache. Wer in den 2000er Jahren mit Aktien Schiffbruch erlitten hat, wird nicht nur in Aktien investieren. Ich möchte aber ein Thema ansprechen: Verbraucherschutz ist unser Kernauftrag. Wir wollen mit den Menschen ein Leben lang Geschäfte machen. Ein Kunde, der früher eine Baufinanzierung mit vier Prozent Zinsen und einem Prozent Tilgung ge-stemmt hat, kann heute auch eine mit einem Prozent Zinsen und vier Prozent Tilgung stemmen und ist damit früher schuldenfrei. Das machen aber viele andere Banken mit Billigpreisen nicht. Wie bekommt man Menschen heute vermittelt, dass sich Sparen lohnt?SCHERMANN Die Wurzel des Sparens ist nicht der Zins, sondern die Idee, etwas für die Zukunft zurückzulegen. Das ist zunächst ein Konsumverzicht. Wir müssten den jungen Menschen sagen: Wenn du später den gleichen Lebensstandard haben möchtest wie heute, musst du dafür das Drei- bis Vierfache zur Seite legen wie bisher, sonst droht Altersarmut. Allerdings: 100 oder 200 Euro sind für viele noch okay, aber 600 oder 800 Euro im Monat? Das ist vielen nicht möglich.PASSEK Eigentlich geht es noch: Etwa 50 Prozent der Jugend spart heute, 30 würden gerne sparen, können aber nicht, und 20 Prozent sagen, es nützt ja nichts und lassen es ganz sein. ALT Die Situation hat sich nicht geändert. Das Problem ist nur: Es gibt keine Zinsen mehr. Der Grundgedanke, ich spare für etwas Großes, ist bis heute gleich geblieben. Diese Idee ist weiter richtig und wichtig. FRIEDRICH Das Sparvolumen und die Sparquote in Deutschland sind stabil. Aber sie sind nicht gleich verteilt über die gesamte Bevölkerung. Die Schere geht auseinander: Bei einem geringen Einkommen ist Sparen kaum möglich. Der Staat sollte für diese Menschen weitere Anreize entwickeln. Je geringer das Einkommen, desto höher müsste die Förderung ausfallen.Wie gehen Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken mit dem Sparen um? Von außen fallen dem Beobachter da drei Schlagworte ein: Fusionen, Filialschließungen, Gebührenerhöhung.ALT Das Thema Fusion lasse ich zunächst mal außen vor. Nicht immer sind zwei Institute besser, wenn daraus eins wird. Wir haben Filialen geschlossen. Das ist unpopulär, und es war nicht einfach. Dennoch sind wir auf Verständnis gestoßen. Wir haben Gebühren angepasst, und bei den Personalkosten überlegen wir, ob wir frei werdende Stellen wieder besetzen. NICKELS Wir sitzen alle im selben Boot und sind über die Fläche und die Nähe zum Kunden groß geworden. Doch definieren wir und unsere Kunden die Nähe heute anders als vor 20 Jahren. Eine Geschäftsstelle hat immer nur dann Zukunft, wenn sie vom Kunden in Anspruch genommen wird. Letztlich entscheidet also der Kunde. Wir als Kreissparkasse bleiben auch künftig in der Fläche präsent und den Menschen verbunden. SCHERMANN Unser Institut ist über 160 Jahre alt. Zu jeder Zeit gab es Herausforderungen. Und noch sind wir gut aufgestellt. In den 1970er Jahren wurde das Geschäftsstellennetz extrem erweitert, weil man nah am Kunden sein wollte. Doch was ist heute nah? Wir alle haben uns mit den neuen Techniken verändert. Es ist nicht schön, eine Geschäftsstelle zu schließen. Doch auch damit tragen wir die Verantwortung für das sich rasant veränderte Kundenverhalten. Qualifizierte Beratung können wir nicht in 200 Orten anbieten, sondern nur gebündelt. Wir sind weiter regional und dezentral aufgestellt, aber eben nicht mehr in jedem Ort. Wir haben gleichzeitig stark steigende Zahlen im Onlinebanking. Für ältere Kunden haben wir zudem einen Bargeldservice eingerichtet. Unsere Geschäftspolitik ist darauf ausgerichtet, stabil und gesund zu bleiben und auch in 15 Jahren noch erfolgreich am Markt zu sein.FRIEDRICH Wir haben vor zwei Jahren in der Region Trier- Saarburg eine sehr sinnvolle Fusion durchgeführt, um unseren Mitgliedern und Kunden in unserem Geschäftsgebiet einen starken Bankpartner an die Seite zu stellen. Natürlich ging es damals auch um die Hebung von Synergieeffekten. Das Kundenverhalten ändert sich stetig: Ein gleichwertiges Angebot von persönlichem Banking und digitalem Banking wünscht sich der Kunde.ALT Es gibt für jedes einzelne Haus Optimierungsmöglichkeiten. Nur irgendwann stößt man an seine Grenzen. Es gibt bereits einen Konzentrationsprozess. Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass es in vielleicht zehn, fünfzehn Jahren nur noch eine Sparkasse im nördlichen Rheinland-Pfalz geben wird. HOECK Das Ganze ist eine Gratwanderung. Wenn wir mit seriösen Schätzungen mal von 300 Sparkassen statt 400 Sparkassen und statt 1000 Genossenschaftsbanken von 700 oder 600 ausgehen, ist das nicht automatisch der Untergang des christlichen Abendlandes. Grundsätzlich stimmt aber: In den höheren Sphären der EU gibt es ein Großmaß an Befremdlichkeit gegenüber dem genossenschaftlichen Bankwesen und den öffentlich-rechtlichen Sparkassen. Da müssen wir eigenverantwortlich schauen, wie die Stärkeren den Schwächeren helfen. Geschäftsmodelle wie unsere sind ein Teil der Region. Kurz und knapp, wie sehen die Bankgeschäfte in zehn Jahren aus?ALT Wir werden noch mehr Digitalisierung und neue Angebote haben. Dennoch werden wir in der Fläche und nah am Kunden bleiben.NICKELS Bei allen Veränderungen, die die Zukunft mit sich bringt, werden wir auch in zehn Jahren noch Sparkasse bleiben und persönliche Beratung vor Ort von Mensch zu Mensch anbieten. PASSEK Es wird sicher noch in zehn Jahren Bargeld geben, und wir werden für unsere Kunden da sein. Aber es wird deutlich digitaler zugehen. PETERS Ja, es wird deutlich digitaler. Aber auch da ist die Nähe zum Kundenberater wichtig. Fusionen können nicht alles lösen, sie müssen auch für Kunden einen deutlichen Mehrwert bringen. FRIEDRICH Wir sprechen inzwischen vom digital-persönlichen Verhältnis zum Kunden. Was wir als Service anbieten, wird sich aus dem direkten Kontakt verabschieden. Wo es jedoch um persönliche Beratung geht, wo es um eine Entscheidung geht, die sein Leben auf zehn oder fünfzehn Jahre beeinflussen, wollen wir dem Kunden weiter in die Augen sehen und sehr persönlich beraten. HOECK Solange es uns gelingt, möglichst nah am Menschen zu sein, dann habe ich vor der Zukunft keine Angst. Die Raiffeisenbank von 1914 hat auch anders ausgesehen als die von 1957. SCHERMANN Ich gehe mit Zuversicht und guten Mutes in die Zukunft. Schaue ich zehn Jahre zurück, so hat sich bei uns vieles positiv entwickelt. Die Menschen leben gut, haben Arbeit und sind regional verwurzelt. Wir müssen die Kräfte bündeln, das muss nicht gleich die Fusion sein - aber identisch bleiben. Ich glaube ganz sicher: Die Menschen brauchen immer ein Stück Heimat, auch wenn sie globaler werden. Und dazu gehören wir in zehn Jahren immer noch.

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