"Ein tragfähiger Kompromiss"

MAINZ. Der Kompromiss zur Gesundheitsreform bürdet nach Einschätzung der Mainzer Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) den Versicherten nicht einseitig Lasten auf. Allerdings würden Zuzahlungen zu Mehrkosten für Patienten führen, räumt sie im TV -Interview ein.

Geht der Reform-Kompromiss nicht eindeutig zu Lasten der Versicherten? Dreyer: Nein. Mag sein, dass es auf den ersten Blick den Anschein hat, weil die Zuzahlungen so im Mittelpunkt stehen. Aber alle im Gesundheitswesen müssen ihren Beitrag leisten. Es ist ein tragfähiger Kompromiss. Dennoch, der Zahnersatz muss vom Bürger extra versichert werden und kostet doch dadurch mehr? Dreyer: Das Optionsmodell soll 2005 kommen. Dann muss der Versicherte zusätzliche Beiträge bezahlen, entweder in der gesetzlichen oder einer privaten Krankenkasse. Im Jahr 2004 kommt es aber erst einmal zur Beitragssenkung. Klar ist, dass die Patienten mehr bezahlen müssen als bisher. Aber auf der anderen Seite müssen auch Pharma-Industrie, Apotheker, Krankenkassen und Ärzte ihren Beitrag leisten. Doch Zahnersatz und Krankengeld sind zwei große Brocken, die aus der Solidarversicherung heraus genommen werden und künftig allein am Beitragszahler hängen bleiben. Dreyer: Man muss allerdings auch sehen, dass es zu einer erheblichen Beitragssatzsenkung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen wird. Zielmarke sind 2005 die 13 Prozent. Es war immer ein Ziel, dass die Versicherten am Ende nicht mehr zahlen als heute, trotz der Zusatzleistungen. Das heißt, die Mehrbelastung wird sich vor allem im Bereich der einzelnen Zuzahlungen festmachen. Es hat den Anschein, dass mehr Geld ins System gepumpt wird. Wo ist die Strukturreform? Dreyer: Es gibt wichtige Weichenstellungen wie die neue Vertragsfreiheit zwischen Krankenkassen und Ärzten, die gerade im Bereich einer integrierten Versorgung von Patienten wichtig sind. Da wird es Bewegung geben, auch bei der Öffnung der Krankenhäuser oder Gründung von Gesundheitszentren. Warum kam es wieder nicht zu der Positiv-Liste für Medikamente, die von der Pharma-Industrie stark bekämpft wird? Dreyer: Wir haben einen akzeptablen Kompromiss gefunden. Es wird nur noch Festbeträge bei so genannten Schein-Innovationen geben, also bei den Präparaten, die keine wirkliche Innovation darstellen. Gleichzeitig werden nicht mehr verschreibungspflichtige Medikamente nicht mehr erstattet, und ihre Preisbindung wird aufgehoben. Drittens werden neue Medikamente nach Nutzen bewertet. Für dieses Bündel haben wir die Positivliste aufgegeben. Wie lange dauert es bis zur nächsten Gesundheitsreform? Dreyer: Ich glaube, eine Strukturreform brauchen wir in absehbarer Zeit nicht mehr. Von Anfang an war aber klar, dass wir uns im nächsten Jahr damit befassen müssen, die gesetzliche Krankenversicherung auf eine neue Finanzierungsbasis zu stellen. Dort gibt es Stichworte wie Bürgerversicherung oder Kopfpauschalen. Das heißt konkret auch Selbstständige einzubeziehen? Dreyer: Zum Beispiel. Was hätten Sie sich gewünscht, was nicht im Reformpaket steht? Dreyer: Ich bin insgesamt zufrieden. Was ich nicht für den richtigen Weg ansehe, ist die von der Union geforderte Privatisierung des Zahnersatzes. Immerhin führt der Kompromiss dazu, dass Versicherte selbst wählen können, ob sie Zahnersatz gesetzlich oder privat absichern. S Das Interview führte unser Redakteur Joachim Winkler.

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