Eine Fahrt durch befreundete Länder

BERLIN. Nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen stellen die Sieger ihre Bedingungen: Die Union will das rot-grüne Steuerpaket torpedieren.

Die Sieger haben gut Lachen. Eingerahmt vom Erfolgsduo Roland Koch und Christian Wulff strahlt Angela Merkel in einen Wald von Kameras. "Tja, meine Damen und Herren", sagt die CDU-Chefin. Und es klingt so, als sagten die "zwei sensationellen Wahlsiege" (Merkel) vom Sonntag in Hessen und Niedersachsen eigentlich alles. Am Morgen danach tagten erst einmal die Spitzengremien der Partei. Und da eben sei auch eine "große Verantwortung" deutlich geworden, wie die Vorsitzende mit ernster Miene betont. Im Kern geht es um die Frage, was die CDU jetzt bundespolitisch aus ihrem Sieg macht. Gewiss, sie bleibt in der Opposition. Aber ohne sie kann die Koalition nicht regieren. Mit dem Wulff-Erfolg in Niedersachsen haben die Christdemokraten Waffengleichheit im Vermittlungsausschuss hergestellt. Das Kungel-Organ zwischen Bundestag und Bundesrat kann daher keine "unechten Beschlüsse" im rot-grünen Sinne mehr fassen. Also müssen sich die großen politischen Lager zusammenraufen - oder es kommt zum politischen Stillstand. Letzteres wäre auch für die Union fatal.Übereinstimmung locker zu verkraften

Die Gefahr, dass der Erfolg dann eher mit den Regierenden nach Hause geht, sieht Merkel nicht. Der Kompromiss bei den Mini-Jobs im Rahmen der Hartz-Reform habe den Wahlkämpfern Koch und Wulff ja auch nicht geschadet, argumentiert die Vorsitzende. Zudem gebe es in der Außenpolitik oder bei der Zuwanderung noch genügend Unterschiede, so dass die Übereinstimmungen "locker" zu verkraften seien. Ob sich Schröders starker Mann, Wolfgang Clement, behaupten kann, oder die Parteilinken doch noch Oberwasser gewinnen, liegt einstweilen im Dunkeln. Die Spitzenleute der Union waren sich deshalb auch einig: Erst einmal müssen sich die Regierungsparteien ihre zahllosen Vorschläge in Gesetzentwürfe gießen, bevor man selbst aus der Deckung kommt. Dass Rot-Grün darüber vorzeitig zerbrechen könnte, hält Merkel für unwahrscheinlich. Die "Planung" sei auf vier Jahre Schröder-Regierung angelegt. Auch der alte und neue Ministerpräsident Roland Koch versichert, die Union wolle die Länderkammer nicht zur "Blockade" nutzen, wohl aber zu einer "klaren Kontrolle". Damit macht der Hesse deutlich, wo die Grenzen der Kooperation liegen: Das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz, das in Wahrheit die Steuern etwa für Dienst-Pkw oder Schnittblumen herauf setzt, werde "definitiv nicht kommen". Über die Konsequenzen der zusätzlich entstehenden Haushaltslöcher schweigt sich Koch aus. Entweder müsste tatsächlich die Mehrwertsteuer erhöht werden, oder die öffentliche Hand flüchte sich in noch mehr Schulden. Die angemahnten Reformen bringen kurzfristig jedenfalls kein Geld für den Staat. Auch bei den Sozialsystemen mangelt es der Union übrigens an schlüssigen Konzepten. Um so mehr gedeihen die Personalspekulationen. Wird Angela Merkel im kommenden Jahr gar Bundespräsidentin, weil die Union nach ihrem Doppelsieg über die nötige Mehrheit in der Bundesversammlung verfügt? Und wie steht es um die K-Frage, nachdem Merkels Rivale Koch so eindrucksvoll im Ministerpräsidentenamt bestätigt wurde? Sie rate "dringend" von Kaffeesatzleserei ab, beschied Merkel. "Wir liefern dazu keine Zeile", assistierte Koch. Nur Christian Wulff hielt sich nicht an diese Sprachregelung: Die CDU würde nie eine Vorsitzende wählen, die nicht auch als Kanzlerkandidaten in Frage käme, meinte der künftige starke Mann in Niedersachsen. Mit Wulff ist die Union "nördlicher" geworden. "Schön, dass man jetzt wieder von den Alpen bis zu Nordsee durch befreundete Länder fahren kann", befand CSU-Landesgruppenchef Michael Glos. All das sind Pluspunkte für Merkel. Denn der Kampf um die Kanzlerkandidatur zwischen Koch und ihr schwelt weiter. Fazit: Mit dem "schwarzen" Super-Sonntag hat die Union ihre Niederlage bei der Bundestagswahl endgültig zu den Akten gelegt.

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