Eine Rechtsgrundlage gibt es nicht

TRIER/DAHNEN. Die in Dasburg und Dahnen (Kreis Bitburg-Prüm) patrouillierenden Bürgerwehren bewegen sich rechtlich auf dünnem Eis. Im TV -Interview äußert sich der Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Präventionsrats der Polizei, der Trierer Strafverteidiger Andreas Ammer, zu dieser Problematik.

Was versteht man im juristischen Sinne eigentlich unter einer Bürgerwehr? Ammer: Eine Bürgerwehr ist der Zusammenschluss von Bürgern in polizeiähnlichen Selbstverteidigungsgruppen, die entweder allein verantwortlich oder in Abstimmung mit der Polizei in ihren Vierteln patrouillieren und kontrollieren und das, was sie feststellen, gegebenenfalls an die Polizei weitermelden. Derartige Patrouillen - häufig mit Hunden und auch bewaffnet - sollen Einbrecher abschrecken und Straftaten verhindern. Gibt es in Deutschland ähnliche Tendenzen wie zurzeit im Islek? Ammer: In Deutschland sind derartige Ansätze eher selten zu beobachten. Es gibt institutionelle Bemühungen, zum Beispiel in Bayern das Modell der Sicherheitswacht, bei denen den Angehörigen der Wacht gesetzliche Eingriffsbefugnisse übertragen sind, die wohl über die so genannten "Jedermannsrechte", wie beispielsweise das Festhalten bis zum Eintreffen der Polizei, hinausgehen sollen. In einigen Großstädten und Bundesländern werden Bürger zu Sicherheitspartnern bestellt oder zeigen sich in uniformähnlicher Kleidung an öffentlichen Orten und in öffentlichen Verkehrsmitteln, um so das Sicherheitsgefühl zu erhöhen. Gibt es überhaupt eine Rechtsgrundlage? Ammer: Eine Rechtsgrundlage gibt es in Deutschland nicht. Bürgerwehren haben keine hoheitlichen Aufgaben, und ihnen stehen lediglich die privaten Nothilferechte zu, wie jedem anderen Bürger auch. Und wenn diese Bürgerwehren mit Waffen auftreten? Ammer: Der Einsatz von Waffen oder Gewalt ist unzulässig, soweit die Polizei zur Stelle ist oder sie ohne sonderliche Mühe oder Risiko herbeigeholt werden kann. Wie gesagt: Der Einsatz von Waffen ist per se unzulässig. Welche Befugnisse hat dann eine Bürgerwehr konkret? Ammer: Der Angehörige einer solchen Bürgerwehr dürfte nach derzeit geltendem Recht lediglich die jedem Bürger zustehenden Festhalterechte bis zum Eintreffen der Polizei ausüben und die Begehung einer Straftat beziehungsweise einen entsprechenden Verdacht an die Polizei melden. Wie bewerten Sie die zurzeit im Einsatz befindlichen Bürgerwehren in der Eifel? Ammer: Nach meiner Einschätzung handelt es sich bei den Bürgern im Islek nicht um einen bürgerwehrähnlichen Zusammenschluss, sondern um verständlicherweise besorgte und verängstigte Leute, die im Rahmen ihres zivilen Engagements bemüht sind, Verdachtsmomente an die Polizei weiterzugeben, und die unbewaffnet lediglich Verdachtsmomente melden. Eine solche nachbarschaftliche Reaktion kann man nicht als Bürgerwehr an der Schwelle zur Selbstjustiz fassen. Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit der Polizei vor Ort vorstellen? Ammer: Um Denunziantentum und Selbstjustiz zu verhindern, andererseits Kriminalitätsfurcht nicht gerade durch die beständige Präsenz derartiger Bürgerwehren zu erhöhen, sollte eine enge Kooperation mit der Polizei gesucht werden. Ein moderner und rational vorgehender Polizeiführer wird immer derartige Hilfe durch die vor Ort betroffenen Bürger schätzen und sie in seine Arbeit einbinden. Es wäre auch zu überlegen, ob im Rahmen kriminalpräventiver, lokaler Bemühungen die Bedenken und Sorgen der Bürger gebündelt und in dieser Form an die Polizei herangetragen werden, um eine lokale Sicherheitspartnerschaft zu begründen. Worin liegt die Gefahr bei der Gründung einer Bürgerwehr? Ammer: Was verhindert werden soll, ist die Rekrutierung von "Hilfs-Sheriffs", bei denen der Bürger nicht mehr weiß, was diese in Abgrenzung zur Polizei rechtmäßigerweise tun dürfen. Wie stehen Sie persönlich zu Bürgerwehren? Ammer: Insbesondere unter Berücksichtigung der in Rheinland-Pfalz festzustellenden Häufigkeitsziffern besteht keine Notwendigkeit, solche Bürgerwehren ins Leben zu rufen. Ich stehe derartigen Bestrebungen daher auch sehr skeptisch und kritisch gegenüber, da nach allen Erfahrungen Kriminalitätsfurcht eher befördert und das Sicherheitsgefühl negativ beeinflusst wird. Reicht es aus, Beamte aus so genannten Rotationszügen abzuziehen, um temporär und punktuell hoffnungslos unterbesetzte Polizei-Inspektionen zu verstärken? Ammer: Selbstverständlich ist eine sachlich und personell optimal besetzte Polizei-Inspektion in der Fläche einer nur temporär verstärkten Inspektion vorzuziehen. Es fragt sich aber, ob im Wege des Aktionismus personell aufgepeppte Inspektionen tatsächlich präventiv dergestalt wirken, dass Delikte vermieden werden können. Es ist eher von einem Zusammenhang auszugehen, dass eine erhöhte, auch sichtbare Präsenz das Sicherheitsgefühl erhöht ohne direkten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Deliktsbegehung zu haben. Nichtsdestotrotz ist natürlich darauf zu achten, dass auch in der Fläche Polizei-Inspektionen ausreichend besetzt sind, um ein rationales und effektives Polizeihandeln zu sichern. hw/sas Das Interview führte unser Redakteur Manfred Reuter.

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