"Eine beängstigende Entwicklung"

Zur Vermeidung von Altersarmut muss der Staat nach Ansicht des Soziologen Meinhard Miegel stärker für die private Vorsorge werben. Es müsse klipp und klar heißen, "Bürger sorgt mehr vor, damit ihr auch in Zukunft Geld zum Ausgeben habt", sagte Miegel, der das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) in Bonn wissenschaftlich berät.

Herr Miegel, mit dem Dreiteiler "2030 - Aufstand der Alten" hat das ZDF ein düsteres Szenario zur Zukunft der Rentner skizziert. War das Panikmache oder drohende Realität?Miegel: Der Film ist Panikmache. Aber mitunter bedarf es der Panikmache, um einer größeren Öffentlichkeit Veränderungen bewusst zu machen. Bislang verdrängen noch viele Menschen Gedanken zum eigenen Alter. Sie hoffen, dass sich schlussendlich doch alles irgendwie regeln werde und der Staat für sie einsteht. Das aber ist pure Illusion. Nach der aktuellen Allensbach-Studie steigt die Angst vor Altersarmut, aber die Bereitschaft zur verstärkten Privatvorsorge ist rückläufig. Wie erklärt sich der Widerspruch?Miegel: Viele Menschen denken, handeln und fühlen immer nur kurzfristig. Vor drei Jahren blickten sie voller Pessimismus in die Zukunft. Sie sorgten sich um ihren Arbeitsplatz, um ihre Altersversorgung, um alles. Dann ging es wirtschaftlich wieder etwas bergauf und entsprechend wurde auch die Stimmung besser. Die Bevölkerung wurde animiert, mehr zu konsumieren und sie nahm die Appelle willig auf. Kauft Leute, kauft, war die Devise. Die Kehrseite: Die Bereitschaft zur Vorsorge nahm ab. Eine beunruhigende Entwicklung? Miegel: Nicht nur beunruhigend, sondern beängstigend. Denn die gegenwärtig gute Konjunktur wird auch wieder abflauen. Und dann werden sich viele in einer noch schwierigeren Situation befinden als heute. Was halten Sie von einer Pflicht zur privaten Vorsorge?Miegel: Nichts. Es gibt bereits genug staatliche Eingriffe. Der Staat sollte zunächst versuchen, die Bürger von der Notwendigkeit zur Vorsorge zu überzeugen. Dazu muss er seine bislang widersprüchlichen Signale beenden. Heute heißt es doch ständig, gebt mehr Geld aus, aber spart auch mehr. Mit solchen Signalen kann der Bürger nichts anfangen. Vielmehr muss es klipp und klar heißen: Bürger, sorgt mehr vor, damit ihr auch in Zukunft Geld zum Ausgeben habt. Zumindest wird die Riester-Rente immer populärer. Reicht sie aus, um mit der gesetzlichen Rente den gewohnten Lebensstandard im Alter zu sichern?Miegel: Ganz klar nein. Die Riester-Rente füllt nur etwa zur Hälfte die Lücke, die sich nach geltendem Recht bei der gesetzlichen Rente auftun wird. Um die bereits jetzt beschlossene Absenkung des Rentenniveaus auszugleichen, müsste ein Versicherter nicht nur vier Prozent seines Bruttolohns zurücklegen, wie dies bei der Riester-Rente vorgesehen ist, sondern insgesamt acht Prozent. d Das Gespräch führte unser Korrespondent Stefan Vetter.

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