Eine kleine Revolution im Kühlregal

Berlin. In Deutschland sollen nach dem Willen der Verpackungsbranche so genannte intelligente Verpackungen bald Standard werden und helfen, Gammelfleisch- oder andere Lebensmittelskandale zu verhindern. Auch die Bundesregierung zeigt sich dafür aufgeschlossen.

Der Name klingt wie eine skurrile Erfindung eines ebenso skurrilen Forschers: "Intelligente Verpackungen". Doch es gibt sie, die Behältnisse, die dem Verbraucher signalisieren, wenn Lebensmittel längst abgelaufen sind. Oder wenn sich Milch, Fleisch und Wurst ihrem Verfallsdatum nähern. Immer häufiger werden die Verbraucher von skrupellosen Geschäftemachern hinters Licht geführt - etwa, in dem altes Fleisch neu ausgezeichnet in den Regalen landet. Während sich in Deutschland der Konsument nur schwerlich dagegen schützen kann, fliegen solche Machenschaften in Ländern wie Frankreich, Schweden und den USA schnell auf. Der Handel dort nutzt nämlich bereits Etiketten, die chemische Prozesse erkennen, den Frischegrad der Ware erfassen und entsprechend anzeigen. So ändern Verpackungen ihre Farbe, wenn der Inhalt das Verfallsdatum überschritten hat. Außerdem gibt es schon erste Verpackungslösungen, die mit Hilfe von Detektoren durch ein optisches Verfahren vor Salmonellen warnen. Bislang nur passive Hüllen

In Deutschland schützen Verpackungen bisher nur den Inhalt und sorgen dafür, dass die Ware länger frisch bleibt. Ansonsten sind es passive Hüllen; das Mindesthaltbarkeitsdatum ist nicht mehr als ein Richtwert. Der Branchenverband "Deutsches Verpackungsinstitut" (dvi) fordert nun besseren Schutz vor verdorbenen Lebensmitteln durch die Einführung der neuartigen Behältnisse, die im europäischen Ausland gang und gäbe seien: "Das erwarten wir auch von den Marktteilnehmern in Deutschland", so der Vorsitzende des dvi, Thomas Reiner, im Gespräch mit unserer Zeitung. Vertreter der Verpackungswirtschaft, der Lebensmittelindustrie, des Einzelhandels und der Politik sollen nach dem Willen des Verbandes nun möglichst bald zusammenkommen, um die Marktetablierung voranzutreiben. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Bärbel Höhn, begrüßte gegenüber unserer Zeitung den Vorstoß: "Das wäre schon eine kleine Revolution im Kühlregal", so Höhn. Auch das Verbraucherschutzministerium zeigt sich aufgeschlossen: "Intelligente Verpackungen sind ein Weg, Verbraucherschutzbelange und die Sicherheit bei Lebensmitteln zu verbessern", meinte eine Sprecherin auf Nachfrage. Jedoch dürften laut EU-Vorgabe Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, "keine Bestandteile auf Lebensmittel abgeben, die zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führen könnten." Zugleich dürfe der Verbraucher durch die neuen Etiketten nicht in die Irre geführt werden, ergänzte das Ministerium. Deswegen werde derzeit auf dem Gebiet intensiv anwendungsbezogen geforscht - das Verbraucherschutzministerium will nun im Rahmen seines "Innovationsprogramms" die Entwicklung der neuen Verpackungen vorantreiben. 2005 hatte bereits das Bundesforschungsministerium 2,5 Millionen Euro für ein Projekt zur Verfügung gestellt. Ende des Jahres sollen Ergebnisse präsentiert werden, die für die Markteinführung nicht unerheblich sein werden.

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