"Eine langwierige Schlacht"

New York. Die Republikaner feiern sich auf ihrem Parteitag in New York. Tausende Bush-Gegner veranstalten unterdessen Massendemonstrationen - bisher friedlich.

Seit zwölf Stunden ist Bill Jenkins aus Kalifornien bereits auf den Bürgersteigen vor dem mit Metallbarrikaden abgesperrten Madison Square Garden im Einsatz, doch an Feierabend mag er noch nicht denken: "Ich habe doch hier das größte Publikum für mein Anliegen." Und das ist, ein handgebasteltes Schild auf und ab zu tragen, auf dem der Kopf von George W. Bush mit dem Zusatz "Liar" ("Lügner") zu sehen ist. Der 32-jährige Sozialarbeiter Jenkins gehört keiner der Demonstrantengruppen an, die seit Sonntag im Herzen New Yorks gegen die Politik des US-Präsidenten protestieren, sondern sieht sich als Einzelkämpfer gegen die Kriegs-Politik des Texaners. Dabei zeigt er sich als Muster-Aktivist, an dem die Stadtväter New Yorks - die parallel zum gestern offiziell begonnenen Nominierungsparteitag der Republikaner auch brutale Straßenschlachten befürchten - ihre helle Freude hätten. Die Polizisten, die rund um den Tagungsort mit massiver Präsenz das Straßenbild bestimmen, grüßt er immer wieder freundlich und stellt sich bereitwillig auch japanischen Touristen als Fotomotiv. Ohnehin bestimmt das Prinzip "Seid nett zueinander" den ersten großen Aktionstag der Anti-Bush-Bewegung. "Play nice!" hat am Morgen noch die New Yorker Zeitung "Daily News" die rund 900 Gruppen aufgefordert, die in der "United for peace and justice"-Bewegung zusammengeschlossen sind - was soviel wie "Verhaltet euch brav" heißen sollte. Und fast alle halten sich an den Appell. Friedlich verläuft die Demonstration, bei der fast 1000 mit Sternenbannern dekorierte Papp-Särge - sie sollen die im Irak gefallenen US-Soldaten symbolisieren - durch die Innenstadt getragen werden. "Die Republikaner haben New York als Tagungsort nur gewählt, weil sie von der Tragödie des 11. September 2001 profitieren wollen", klagt Michael Rogers, einer der Sargträger und im normalen Leben Computerfachmann bei einem Wall-Street-Finanzkonzern, "das können wir uns nicht bieten lassen." Ein anderer hat sich auf Bushs Reaktion zu den Terror-Anschlägen eingeschossen: "Als wir um unser Leben rannten, saß er in einem Klassenzimmer und las Schülern vor", sagt Lynn Gordon, die in einem Gebäude gegenüber des World Trade Center arbeitete. Die spektakuläre Demonstration war zuvor von der Polizei genehmigt worden, nachdem die Organisatoren Baupläne der Sarg-Attrappen vorgelegt und wie gefordert nachgewiesen hatten, dass diese keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit seien. Überaus friedlich vollzieht sich auch wenig später das, was am Sonntagabend bei einer Bilanz die Veranstalter als größten Protestmarsch kennzeichnen, den man jemals gegen einen Parteitag in der Millionenstadt gesehen habe: Fast 500 000 Menschen hätten sich aufgemacht und seien fünf Stunden lang auf die Straße gegangen. Der so Attackierte gibt sich unterdessen in einem Interview überraschend pessimistisch, was den weiteren Kampf gegen den Terror angeht: Dies sei eine "langwierige Schlacht", sagt George W. Bush, und er glaube nicht, dass man sie gewinnen könne. Allerdings, sagt Bush, könne man Bedingungen schaffen, die es für extremistische Gruppen schwieriger machten, Terror als Waffe einzusetzen. Und auch zum Krieg im Irak gibt es ein überraschendes Eingeständnis Bushs: Die rasche Eroberung des Landes sei ein "katastrophaler Erfolg" gewesen, weil der größte Teil der Gegner einfach geflohen sei und heute Widerstand leiste, anstatt sich während der Invasion zu ergeben oder bis zum Tod zu kämpfen, sagt Bush. Deshalb würde er zwar die Kriegs-Entscheidung immer wieder treffen, doch die Militärstrategie ändern.

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