"Einen Merkel-Bonus gibt es nicht"

TRIER. CDU-Spitzenkandidat Christoph Böhr setzt nach wie vor darauf, Kurt Beck als Regierungschef in Mainz abzulösen. Wenn die CDU ihr Wahlziel als stärkste Partei erreiche, werde sich die FDP "Gesprächen sicher nicht entziehen", sagte der 52-Jährige beim TV-Redaktionsgespräch.

Christoph Böhr redet leise, bisweilen fast flüsternd. Nicht unbedingt von Natur aus. Aber die Stimme des Dauer-Wahlkämpfers ist angegriffen, den Herausforderer plagt eine hartnäckige Erkältung. Er sei "vergrippt, aber nicht verschnupft", sagt er mit grimmigem Humor. Momentan dämpften die eisigen Temperaturen "die Lebensfreude, aber nicht die Wahlkampf-Energie". Es wird höchste Zeit für ihn, das weiß auch Christoph Böhr. Ein analytischer Kopf wie er kennt Umfragen und Wähler-Trends. Dass es im Lande nicht gerade eine riesige Wechselstimmung gibt, sieht er auch. Aber die große Polarisierung erwartet er ohnehin nicht, angesichts der Wähler, die diesmal "den Wahlkampf als Wettbewerb in Sanftmut wollen", nach der großen Konfrontation im letzten Herbst. Da schwingt Bedauern mit, dass selbst Parteifreunde zur Mäßigung rufen "und Polemik bei uns ein Schimpfwort geworden ist". Ein bisschen mehr würde er da schon gern auf die Pauke hauen, gegen den großen Harmonisierer Kurt Beck. Stattdessen "liegen wir uns alle in den Armen", sagt der promovierte Philosoph. Oskar Lafontaine, der mache wenigstens "Wahlkampf mit Karacho". So werde die WASG zur "großen Unbekannten". Aber auf die Schützenhilfe der Linken setzt Christoph Böhr ungern. Sein Konzept für den Countdown der letzten zehn Tage steht jedenfalls fest. Er will das CDU-Stammwählerpotenzial mobilisieren, vor allem jene 120 000, die der Union beim letzten Wahlgang vor fünf Jahren den Rücken gekehrt haben. Die seien "überwiegend bei den Nichtwählern geparkt und keineswegs verloren". Mit Inhalten will er an sie herankommen, an einen "Merkel-Bonus" glaubt er dagegen nicht. Es gebe "eine gute Stimmung, keine Frage", aber die gelte der Bundeskanzlerin persönlich und werde keinen Niederschlag im Landes-Ergebnis finden. Nach himmelhochjauchzendem Optimismus klingt das nicht. Aber Böhr neigt ohnehin nicht zu rhetorischen Pflichtübungen, lässt sich auf ein offenes Gespräch ein. Die Popularität des amtierenden Ministerpräsidenten stellt er nicht in Frage, weist aber darauf hin, dass sich aus seiner Sicht "keinerlei inhaltliche Aussage mit Beck verbindet". In nahezu allen sachlichen Kompetenzbereichen traue der Wähler der CDU mehr zu als der SPD. Das gelte es unter die Leute zu bringen. Dass der Titelverteidiger einem Fernsehduell mit ihm aus dem Weg geht, führt Böhr auf taktische Erwägungen zurück. "Der will den Eindruck einer Gleichrangigkeit zwischen ihm und mir vermeiden", vermutet der CDU-Chef. Aber das werde beim Wähler "als Ausdruck von Überheblichkeit wahrgenommen". Der Christdemokrat setzt derweil auf seine Sachthemen. Frühere Einschulung, mehr Investition in den "Rohstoff Bildung", mehr Lehrer, mehr Polizisten. Dass das Geld kostet, ist ihm klar, von einem radikalen Sparkurs spricht er längst nicht mehr. Haushaltskonsolidierung könne "keine Vollbremsung sein, bei der man mit der Heckenschere alles zusammenkürzt". Das klingt nicht viel anders als bei seinem Kontrahenten. Eindeutigere Töne dagegen in Sachen Verwaltungsreform. "Erst Funktionalreform, dann Territorialreform", verspricht Böhr. Er will "Mehrfachzuständigkeiten abbauen" und "in der Binnenverwaltung drastisch sparen", weil nur so finanzieller Spielraum für neue Schwerpunkte geschaffen werden könne. Zu letzteren gehöre ein "Investment der Politik für mehr Beschäftigung". Um das angehen zu können, braucht er erst einmal den Wahlsieg. Die CDU denkt darüber nach, für die letzte Wahlkampfphase noch ein spektakuläres, kontroverses Thema hochzuziehen. Vielleicht die Staatsbürgerschaft? Böhr will es noch nicht verraten. So wenig wie eine potenzielle CDU-Ministerliste. Oder seine Pläne für den Fall, dass er die Wahl verliere. Solche Überlegungen gebe es nicht, betont er: "Wer darüber nachdenkt, hat den Schalter schon umgelegt".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort