Einlenken ohne Einsehen

BERLIN. Er wollte nicht: "Er hat sich geweigert zurückzutreten", berichtet ein hochrangiger Christdemokrat. Tagelang hielt CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer diese Haltung durch. Am Mittwoch nahm er dann doch seinen Hut.

Wahrscheinlich hat Laurenz Meyer die Aufregung um die moralisch bedenklichen Zahlungen des Energiekonzerns RWE auf sein Konto nie verstanden. Wie sonst ist es zu erklären, dass der General am Montag noch zähneknirschend eine Abfindung des Unternehmens in Höhe von 250 000 Mark einräumte, sich aber 48 Stunden später herausstellt, dass die Abfindung vermutlich keine war. Weshalb das Geld also vor einigen Jahren gezahlt wurde - da gerät Meyer mal wieder in Not. Und wie sonst ist es zu erklären, dass der geschasste General gestern in seiner kurzen, eine Seite umfassenden Rücktrittserklärung kein Wort darüber verlor, Fehler gemacht zu haben. "Er hat das alles nicht kapiert", glaubt ein Parteifreund. Am Mittwochmorgen hatte die Rücktrittsverweigerung keinen Sinn mehr. Nachdem Angela Merkel mit ihren wichtigsten Vertrauten per Telefon die Lage sondiert hatte, war Meyers Schicksal zwar noch nicht ganz besiegelt. Auch der Umstand der anscheinend falsch deklarierten Sonderzahlung brachte das Fass nicht völlig zum Überlaufen. Insider berichten, erst, als Meyer am frühen Morgen angesichts der Presselage wirklich bewusst geworden sei, dass die Meuterei gegen ihn im eigenen Landesverband Nordrhein-Westfalen nicht mehr zu stoppen war, habe er Merkel telefonisch seinen Rücktritt angeboten. Die nahm die späte Einsicht dankend an. Aus gutem Grund. Der Fall Meyer wurde zunehmend auch zu einem Fall Merkel.Angst vor neuer Debatte über Merkels Führungsstil

"Nun bin ich in der Situation, in der ich nüchtern feststelle, dass meine Arbeit meiner Partei derzeit mehr schadet als nützt", begründete der 56-Jährige vor der Presse seinen Abgang. Er habe abgewogen. Das Ergebnis konnte nur der Rücktritt sein. Der Druck auf Meyer war stetig gewachsen, trotz Merkels Entscheidung, ihn im Amt zu belassen. Von Rebellion, Volkszorn und Aufstand war speziell in den Ländern die Rede gewesen, die mitten im Wahlkampf stecken. Ausgerechnet "der eigene Laden", die eigene Basis zog dem Mann aus Hamm den Boden unter den Füßen weg und drückte ihm den Stempel "unerwünscht" auf. Das war zuviel. Duch Meyers Abgang in Raten geriet auch die Vorsitzende in die Kritik. Ihre Entscheidung, ihm noch eine zweite Chance zu geben, war im Präsidium der CDU und quer durch die Republik in den Landesverbänden auf massive Kritik gestoßen. "Es war richtig", sagte Merkel gestern erneut, an Meyer festgehalten zu haben. Im Konrad-Adenauer-Haus soll sich aber die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass ein Verbleib des NRW-Mannes im Amt Merkel nur weiter in die Bredouille gebracht hätte - man ahnte eine erneute Debatte über ihren Führungsstil und ihre Autorität. Spätestens bei einer Wahlniederlage in Schleswig-Holstein und dann ganz besonders in NRW wäre der Vorsitzenden für ihre nachgiebige Haltung die Quittung serviert worden. Ohnehin, sagen Parteifreunde wie Gegner, habe die Ostdeutsche die Stimmung an der Basis wohl nicht erkannt. Sie sei mit ihrem Versuch gescheitert, Ruhe in die Partei zu bringen. Dafür soll nun Volker Kauder sorgen. Kauder, so ein Mitglied des CDU-Fraktionsvorstandes gegenüber unserer Zeitung, passe viel besser zu Merkel. Die Distanz zwischen ihr und Meyer sei nämlich größer gewesen, als die Öffentlichkeit geglaubt habe.

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