Endzeitstimmung bei den Sozialdemokraten in Belgien

Brüssel · Die Parti socialiste ist in immer neue Affären verwickelt, bei denen es um lukrative Nebentätigkeiten geht. Nun kündigt der christdemokratische Koalitionspartner die Zusammenarbeit auf.

Brüssel In den Niederlanden ist die ehemals stolze sozialdemokratische Partei Partij van de Arbeid in der Bedeutungslosigkeit versunken, in Frankreich hat der Parti socialiste gerade 251 Mandate verloren, die Partei von Francois Mitterrand kommt nur noch auf 29 Sitze. Nun zerbröseln in einem weiteren europäischen Nachbarland die Sozialdemokraten. Dienstag titelte die französischsprachige belgische Tageszeitung Le Soir: "Bye Bye PS." (Deutsch: Auf Wiedersehen Sozialistische Partei). Und die niederländischsprachige Tageszeitung De Morgen machte mit der Schlagzeile auf: "Überlebt der PS diesen Schlag?"
Die Sozialdemokraten sind in der Bredouille. Ohnehin sind sie im sprachlich-kulturell zweigeteilten Belgien nur noch im französischsprachigen Teil, der Wallonie, eine nennenswerte Größe. Die Regierungsbeteiligung im Bund haben sie bereits 2014 verloren. Seit Jahren wandern immer mehr Wähler vom PS zu den Grünen und vor allem an die radikalere PTB (Partei von der Arbeit) ab.
Schlimmer noch ist, dass der PS chronisch in politische Affären verstrickt ist. In letzter Zeit ging es immer wieder um Nebenjobs für politische Mandatsträger, die für die Politiker mit ansehnlichen Nebeneinnahmen verbunden waren. Auch Politiker anderer Parteien sind betroffen, doch die Genossen trieben es besonders bunt. Letztes Jahr wurde enthüllt, wer von ihnen bei kommunalen Betrieben Sitzungsgelder für Aufsichtsratssitzungen kassiert hat, ohne selbst jemals dabei anwesend gewesen zu sein. Der Skandal spielte vor allem im ostbelgischen Lüttich: Politiker hatten darüber Nebeneinnahmen von monatlich bis zu 2900 Euro. Besonders peinlich wurde es, als vor wenigen Tagen ein ähnlicher Fall publik wurde, in dem der Bürgermeister von Brüssel, Yvan Mayeur (PS), die Hauptrolle spielt. Zwischen 2008 und 2013 hat Mayeur Aufwendungen in Höhe von insgesamt rund 61 000 Euro von der Obdachlosenhilfe "samusocial" in der belgischen Hauptstadt bekommen. Seine Gegenleistung: Dafür soll er jeweils eine Hauptversammlung der Organisation sowie jeweils eine Handvoll Sitzungen im Jahr besucht haben.
Mayeur betonte noch einige Tage, dass alles legal sei, nahm aber dann doch seinen Hut. Es steht noch der Vorwurf im Raum, dass Spitzen-Genossen der Stadt sowie deren Familienmitglieder besonders günstige Sozialwohnungen mieten durften. Der nächste Schlag für den Parti kam Montag: Sein christdemokratischer Koalitionspartner cDH kündigte den Sozialisten die Freundschaft und, was noch wichtiger ist, die Zusammenarbeit auf.
Damit verliert die sozialistische Partei in Brüssel, dem französischsprachigen Teil der Wallonie sowie in den betroffenen Kommunen die Regierungsbeteiligung also die Macht in den Rathäusern. Die Partei steht unter Schock. Intern wird mit dem Schlimmsten gerechnet. Die Rede ist bereits von der bevorstehenden Katastrophe "à la francaise" (wie in Frankreich), also die Selbstzerstörung, das Verschwinden als politische Kraft. "Diese Linke kann auch sterben."

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