Entführte Bergsteiger nicht gewarnt

Ungewohnt offen gestand Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern Morgen im MDR-Inforadio einen Fehler ein. Es war nicht sein eigener. Zwar seien Reisen in das Gebiet der kurdischen PKK als risikoreich bekannt gewesen, doch habe eine Reisewarnung zum Zeitpunkt der Entführung der drei deutschen Bergsteiger am Ararat nicht vorgelegen, erklärte er.

Berlin. Im Auswärtigen Amt von Minister Frank-Walter Steinmeier (SPD) war man über diesen Stil nicht erfreut. Denn Schäuble hatte ihm mit dieser Aussage öffentlich die Verantwortung zugeschoben. Erst kurz nach Bekanntwerden der Entführung aktualisierte das Außenministerium auf seinen Internetseiten ( www.auswaertiges-amt.de) die Sicherheitshinweise für die Osttürkei. "Von Reisen in die südöstlichen Provinzen der Türkei, insbesondere die Provinzen Hakkari, Sirnak, Mardin, Siirt, Van, Agri und Igdir wird dringend abgeraten", heißt es nun fett gedruckt. Die letzten drei Regionen, in denen auch der 5165 Meter hohe Ararat liegt, waren vorher nicht erwähnt gewesen. "In der Tat wurde die konkret betroffene Provinz nicht genannt", räumte ein Sprecher des Außenministeriums ein. Dass die Gegend auch vom PKK-Terror betroffen sei, habe sich erst durch die Entführung ergeben. Der Deutsche Alpenverein, dessen Sektion Kelheim die Reise der 13 Bergsteiger zum Ararat organisierte, hatte sich vorher nach Angaben seines Hauptgeschäftsführers Tomas Urban extra erkundigt, ob es eine Gefahr gebe. Fehlanzeige. Die Hinweise des Ministeriums gelten eigentlich als sehr zuverlässig. Erstellt werden sie von den Auslandsvertretungen, den Botschaften und Konsulaten, die täglich Lageberichte nach Berlin schicken. Diese werden dort ausgewertet. Die letzte Entscheidung über die Einstufung der Hinweise und die Art der Veröffentlichung trifft das "Krisenreaktionszentrum", das auch bei konkreten Entführungen in Aktion tritt. Auch gestern tagte es "permanent", wie es hieß. Neuigkeiten konnte das Auswärtige Amt aber nicht mitteilen, nicht einmal, ob man Kontakt mit den Entführern habe. Über operative Details werde grundsätzlich nicht geredet. Hinweise haben große Bedeutung

Das Amt unterscheidet drei Kategorien von Hinweisen: Allgemeine "Reisehinweise" über jedes Land, "Sicherheitshinweise" zu besonderen Problemen oder Problemregionen in den Ländern und generelle "Reisewarnungen". Diese, die schärfste Kategorie, bestehen derzeit nur für Afghanistan, Haiti, die Palästinensischen Gebiete, Somalia, Irak und den Kongo. Die brenzlige Lage in den Kurdenprovinzen taucht als regionale Besonderheit in den Sicherheitshinweisen über die Türkei auf, die ansonsten als weitgehend ungefährlich gilt. Die Hinweise des Auswärtigen Amtes haben große Bedeutung. So gelten sie vor Gericht als ein Indiz für "höhere Gewalt", mit der man einen Reiserücktritt begründen kann. Wie ein Land nach einem Vorkommnis eingestuft wird, hat also erhebliche Auswirkungen sowohl auf das Geschäft der Reiseveranstalter als auch auf die betroffenen Regionen. Deshalb werden sie sorgsam abgewogen. Dass aber die Interessen der Tourismusindustrie eine Rolle spielen würden, bestreitet das Auswärtige Amt vehement. Es gehe nur um die Sicherheit deutscher Staatsbürger.

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