"Er war ein Geschenk für unser Land"

Berlin · Der Staat ehrt einen "Bürgerpräsidenten": Die Spitzen von Staat und Gesellschaft haben sich mit einem Trauergottesdienst von dem gestorbenen früheren Bundespräsidenten Roman Herzog verabschiedet.

Berlin. Roman Herzog hätte wohl geschimpft, dass diese Beerdigung zu langweilig sei, zu wenig deftig. Für einen, der so volksnah, so herzlich war wie der siebte Bundespräsident Deutschlands, sind die Reden beim Staatsakt in Berlin tatsächlich seltsam unpersönlich, fast fern. Sie sind zwar würdig und überlegt, gehen aber kaum über die bekannten Leistungen und biografischen Daten hinaus: Die berühmte "Ruck-Rede" von 1996, die Einführung des 27. Januar als Holocaust-Gedenktag, das Bekenntnis zur neuen Hauptstadt Berlin.
Einzig Joachim Gauck, jetzt amtierender Bundespräsident, verlässt die Etikette an einigen Stellen etwas. Herzog habe eine "unbändige Spottlust" ausgezeichnet, sagt Gauck. Und die Abneigung gegenüber jeder "Aufgeblasenheit". Ein wahrer Bürgerpräsident sei er gewesen, einer, der auch über sich selbst lachen konnte. "Wenn ich den Mund aufmache, denken die Leute schon, sie sind im Urlaub", zitiert Gauck einen Satz Herzogs, der damit auf seinen nie überwundenen bayerischen Akzent anspielte.
Ein ganze Passage widmet Gauck auch Herzogs innigem Verhältnis zu seiner im Jahr 2000 gestorbenen Frau Christiane, "ohne die eine so bürgernahe Amtszeit nicht denkbar gewesen wäre". Dann wendet sich der Bundespräsident Herzogs zweiter Frau Alexandra Freifrau von Berlichingen zu, die in der ersten Reihe auf dem Platz neben ihm sitzt. Er sagt, wie wichtig sie für Herzog war und dankt der Adeligen dafür, dass sie bis zuletzt an der Seite des Verstorbenen war.
So persönlich wird sonst niemand. Andreas Voßkuhle in seiner kurzen Ansprache nicht, der Herzog allerdings auch kaum persönlich kannte. Als Herzog 1987 Verfassungsgerichtspräsident wurde, war sein späterer Nachfolger erst 24 Jahre alt. Voßkuhle referiert im Wesentlichen Herzogs wichtigste Urteile. Donald Tusk, EU-Ratspräsident, ist ebenfalls viel jünger und Pole. Er erinnert in seiner auf Englisch gehaltenen Rede an Herzogs Leistungen für die deutsch-polnische Aussöhnung. Wolfgang Schäuble hätte mehr über den Verstorbenen sagen können, er gehörte in den 1990er Jahren als Innenminister zum engsten Kreis um den damaligen Kanzler Helmut Kohl und dürfte 1994 an der Entscheidung, den Einser-Juristen und Ex-Innenminister von Baden-Württemberg zum Bundespräsidenten zu machen, mitgewirkt haben. Aber Schäuble hält sich sehr zurück.Die Politik dreht sich weiter


Vielleicht ist Herzogs Präsidentschaft auch einfach schon zu lange her. Immerhin hat er seitdem schon vier Nachfolger gehabt. Einer, Johannes Rau, ist schon tot. Zwei weitere, Horst Köhler und Christian Wulff, haben das Amt vorzeitig aufgegeben - oder geben müssen. Sie kommen gemeinsam in den Dom, verneigen sich kurz vor dem Sarg und setzen sich dann in die erste Reihe. Der vierte ist Joachim Gauck, dessen Amtszeit in sieben Wochen endet. Und ein fünfter Nachfolger ist auch noch da, ganz rechts sitzt er, neben Horst Seehofer, in der zweiten Reihe. Es ist Frank-Walter Steinmeier, der in zwei Wochen gewählt werden wird. Er verfolgt die Zeremonie unauffällig, redet vorher und nachher kaum mit jemandem. Ein paar Plätze weiter ist Sigmar Gabriel ähnlich in sich gekehrt, aber der hat an diesem Tag noch Großes vor: seinen Rücktritt.
Die Politik dreht sich eben unaufhörlich weiter, große und weniger große Politiker kommen und gehen, aber immerhin nimmt sich die gesamte Staatsspitze doch diese zwei Stunden Zeit für das Gedenken an einen, über den Gauck sagt: "Er war ein Geschenk für unser Land." Gauck hält die Hand der Witwe ganz fest, fast stützt er sie, als sie hinter dem Sarg gehen, der von Soldaten aller Waffengattungen nach draußen getragen wird. Nach den Angehörigen folgen Kanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert, Malu Dreyer, die im Moment dem Bundesrat vorsteht, und viele Politiker aus Herzogs Zeit wie die Ex-Bundestagspräsidenten Rita Süssmuth und Wolfgang Thierse, die Ex-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber oder Bernhard Vogel, die Grünen-Mitbegründerin Antje Vollmer.
Draußen wird der Sarg mit einem militärischen Zeremoniell verabschiedet, die Nationalhymne wird gespielt. Nur sehr wenige Schaulustige stehen an den Absperrungen.

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