Ernüchterung statt Euphorie

BERLIN. "Da muss Begeisterung rein. Lassen sie sich anstecken!" So schwärmte Peter Hartz, als er das nach ihm benannte Konzept zur Zukunft des Arbeitsmarktes präsentierte. Die Bilanz ein Jahr danach fällt ernüchternd aus.

Allein schon die Wortschöpfungen atmeten Optimismus und Aufbruchstimmung: Job-Floater, Ich-AG, Personal-Service-Agenturen - insgesamt 13 "Innovationsmodule" sollten dem vor einem Jahr vorgestellten Hartz-Konzept zufolge ein Beschäftigungswunder schaffen und den "Abbau von zwei Millionen Arbeitslosen in drei Jahren" bewirken. So schrieb VW-Personalvorstand Peter Hartz im Vorwort seines mehr als 340 Seiten dicken Papiers. Der Kanzler war begeistert. Inzwischen ist Ernüchterung eingekehrt. Heute wird das Bundeskabinett zwei weitere Gesetze zur Umsetzung des Hartz-Konzepts (Hartz III und IV) verabschieden. Doch ein Erfolg der zum Teil schon seit November 2002 geltenden Bestimmungen ist kaum in Sicht. Schlimmer noch: Gemessen an den aktuellen Arbeitsmarktdaten hat sich Hartz als völlig wirkungslos erwiesen. Statt einer Senkung verzeichnet die Nürnberger Bundesanstalt (BA) über 300 000 Erwerbslose mehr als noch vor einem Jahr. Der Arbeitsmarktforscher Hermann Scherl spricht bei der Hartz-Reform gar von "Scharlatanerie". Für den Arbeitsmarktexperten des Hallenser Instituts für Wirtschaftsforschung, Herbert Buscher, fällt die erste Bilanz dagegen "gemischt" aus. Als Lichtblick empfindet er die Ich-AG. Dabei erhalten Arbeitslose staatliche Zuschüsse, um sich selbständig zu machen. Seit Januar haben 42 300 Personen diese Möglichkeit genutzt. Das entspricht den Erwartungen der Nürnberger Bundesanstalt. Hartz selbst hatte freilich mit bis zu 500 000 Kleinst-Unternehmern innerhalb von drei Jahren gerechnet. Die Neuregelung bei den Mini-Jobs hat die Bundesregierung kürzlich zum Erfolg erklärt. Bis zu einem Verdienst von 400 Euro zahlt der Arbeitnehmer weder Steuern noch Abgaben. Auch Jobs bis 800 Euro werden begünstigt. 930 000 neue Arbeitsverhältnisse will die Mini-Job-Zentrale der Bundesknappschaft seit April gezählt haben. Buschers hält das für ein Hirngespinst. "Wäre dem wirklich so, müsste sich das bei den Arbeitslosen- oder Beschäftigungszahlen widerspiegeln." Bereits im November 2002 trat der Job-Floater in Kraft. So bekommen Unternehmen vergünstigte Kredite von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW), wenn sie einen Arbeitslosen einstellen. Die Regierung erwartete sich davon nach einem Jahr 50 000 Arbeitslose weniger. Bislang verzeichnet die KFW gerade einmal 7250 geförderte Jobs. Obwohl das Programm in erster Linie für den Osten gemacht worden sei, erweise es sich gerade dort als "Flop", sagt Buscher. Grund seien die hohen Hürden bei der Bonität des Unternehmens. Die KfW weist dies zurück. Experte: Ohne Hartz noch mehr Arbeitslose

Ebenfalls von zweifelhafter Wirkung sind die Personal-Service-Agenturen (PSA). Darunter firmieren Zeitarbeitsunternehmen, die Arbeitslosen einen regulären Job vermitteln. Über 700 000 Leute sollten laut Hartz so in Lohn und Brot kommen. Für das laufende Jahr gilt in Nürnberg aber schon die 50 000-Marke als "anspruchsvolle Größenordnung". Zur Zeit arbeiten 732 Agenturen mit 6100 Beschäftigten. Nur 188 kamen auf diese Weise zu einem dauerhaften neuen Job. Bei der Nürnberger Bundesanstalt ist man dennoch voller Hoffnung. Innerhalb von zwei Monaten haben sich die Beschäftigungszahlen bei den PSA fast verdreifacht - im Juni waren es noch 2340 Angestellte. "Ohne die Hartz-Instrumente", sagt BA-Referatsleiter Ulrich Gawellek, "wäre die Situation auf dem Arbeitsmarkt jedenfalls noch schlechter."

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