Ersatzteilkassen klingeln

Die mächtigen Automobilkonzerne besitzen eine Monopolstellung für den Vertrieb und die Herstellung von "sichtbaren Auto-Ersatzteilen". Die EU-Kommission möchte diese jetzt aufbrechen.

Berlin. Jeder Autofahrer kann satt sparen, wenn er es geschickt anstellt: Benötigt der Besitzer eines Opel-Corsas einen neuen Kotflügel, lässt sich der über das Internet für rund 50 Euro statt zum Herstellerpreis von 135 Euro kaufen. Das hat der ADAC herausgefunden. Ist beim 3er-BMW eine neue Motorhaube fällig, findet man auf dem freien Markt Angebote, die bis zu 145 Euro günstiger sind - bei gleicher Qualität. Nur: Große Automobilhersteller "erdulden" solche Nebenvertriebswege lediglich, wissen Experten. In Wahrheit besitzen die mächtigen Automobilkonzerne eine Monopolstellung für den Vertrieb und die Herstellung von "sichtbaren Auto-Ersatzteilen" wie Scheinwerfer, Außenspiegel oder Kotflügel. Das bringt die Kassen auch bei "Schnäppchen" zum Klingeln. Derzeit wehrt sich die Industrie vehement dagegen, dass dieses lukrative und für den Verbraucher teure Geschäft aufgebrochen wird. In Deutschland, Frankreich und einigen anderen EU-Ländern haben die Autohersteller aufgrund des nationalen Designrechts eine herausragende Marktmacht auf sichtbare Ersatzteile, beklagt der Präsident des Gesamtverbandes Autoteile-Handel (GVA), Hartmut Röhl. Im Klartext: "Nur sie, die Automobilkonzerne, dürfen die Teile vertreiben." Damit ist jeder Autofahrer auf Gedeih und Verderb der Preispolitik seiner Automarke ausgeliefert.Der Kunde hat keine Wahlfreiheit

Die EU-Kommission möchte dieses Monopol jetzt aufbrechen, weshalb sie in die geplante neue "Designschutz-Richtlinie" eine sogenannte "Reparaturklausel" einfügen will: Diese Klausel würde es verbieten, den Designschutz auf Neuwagen auch auf Ersatzteile auszudehnen. In Großbritannien, Spanien oder Italien ist dies bereits verwirklicht, dort zahlen Verbraucher im Schnitt rund zehn Prozent weniger für sichtbare Ersatzteile. In Deutschland, beklagt auch der ADAC, hat der Kunde keine Wahl. Kotflügel oder Motorhauben müssen hundertprozentig dem Originaldesign des Autos entsprechen. Bei sicherheitskritischen Teilen "unter der Haube" wie Bremsbelägen, Kupplungen oder Lenkungssystemen existiere hingegen bereits der freie Markt, der durch ein Typengenehmigungsverfahren kontrolliert werde. Bei sichtbaren Autoteilen habe der Kunde hingegen keine Wahlfreiheit. Laut GVA zahlt der Autofahrer damit zweimal für das Design seines Fahrzeugs: zuerst beim Kauf seines Neuwagens, dann bei einer Reparatur. Wer sich den Designvorgaben jedoch widersetze, der werde vom Händler mit dem Verlust der Garantie auf sein Auto be- straft, kritisiert der ADAC. Mit Ersatzteilen machen die Konzerne deutlich höhere Gewinne als mit Neuwagen. Die Hersteller wollen deshalb seitens der EU ihr Monopol zunächst auf zehn Jahre festgeschrieben wissen. Während Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) 2003 noch für den Wettbewerb im Ersatzteilhandel war, ist sie davon dem Vernehmen nach inzwischen abgerückt. Hintergrund ist nach Ansicht der Verbandsexperten die Dominanz und der Einfluss der Autoindustrie in Deutschland. Wirtschaftsminister Glos soll hingegen in Richtung EU-Plan tendieren; er hofft auf neue Impulse für den Mittelstand. In den nächsten Monaten will Brüssel eine Entscheidung über den Richtlinienvorschlag der EU-Kommission fällen. Dann dürfte die Debatte in Deutschland richtig in Fahrt kommen.

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