Erst 10 + 8, dann 10 + 6: Poker im Kaisersaal

Berlin · Analyse: Kleine Runden für Regierungsbildung - Sondierung ab Freitag.

 Im Reichstag ist Stühlerücken angesagt, schon weil im neuen Bundestag deutlich mehr Abgeordnete sitzen als im alten. Der Trierer CDU-Mann Bernhard Kaster (links) macht Platz fü seinen Nachfolger Andreas Steier. Foto: privat

Im Reichstag ist Stühlerücken angesagt, schon weil im neuen Bundestag deutlich mehr Abgeordnete sitzen als im alten. Der Trierer CDU-Mann Bernhard Kaster (links) macht Platz fü seinen Nachfolger Andreas Steier. Foto: privat

Foto: Christian Zentner (g_pol2 )

Der Himmel war grau und es regnete heftig, als die Delegationen von Union und Grünen in der ehrwürdigen Parlamentarischen Gesellschaft eintrafen. Wegen des schlechten Wetters hatten die Abgesandten von CDU und CSU einen Schleichweg genommen, derweil die Grünen der Feuchtigkeit trotzten und zur Freude der Fotografen den Haupteingang benutzten. So war das im Oktober vor vier Jahren beim Auftakt der Sondierungsgespräche für eine neue Bundesregierung. Wie man weiß, ist aus Schwarz-Grün damals nichts geworden. Schon nach der zweiten Verhandlungsrunde war dieses Farbenspiel vom Tisch.

Ab heute ist der prachtvolle Bau gegenüber dem Osteingang des Reichstags wieder Schauplatz für einen großen Aufgalopp potenzieller Koalitionspartner. Zu den Vertretern von Union und Grünen kommen diesmal noch die der FDP hinzu. Aber brav nacheinander. Dies sind nur Vorgespräche, um abzuklopfen, ob überhaupt etwas geht. Die echten Sondierungen für ein mögliches Jamaika-Bündnis starten dann am Freitag. Immerhin: Anders als im Herbst 2013 haben alle Beteiligten schon mal den Wettergott auf ihrer Seite. Für die Hauptstadt sind gut 20 Grad, Sonne satt und blauer Himmel angesagt.

Im "Berliner Salon" des exklusiven Clubs, in dem nur Abgeordnete, Diplomaten und ihre Gäste Zutritt haben, werden sich zunächst zehn Unionsleute und acht Freidemokraten versammeln. Darunter die Parteichefs Angela Merkel, Horst Seehofer und Christian Lindner sowie die Spitzen der Fraktionen . Beginn ist 12 Uhr. Für 16.30 Uhr ist dann ein Treffen der Unionisten mit sechs Vertretern der Grünen geplant. Darunter die Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir. Jeweils zwei bis drei Stunden sollen die Gespräche dauern. Am Donnerstag um 13 Uhr steht eine separate Runde von FDP und Grünen auf dem Programm. Damit endet das gegenseitige Beschnuppern. Wenn am Freitag die Sondierung beginnt, wird deutlich mehr Personal am Tisch sitzen. CDU und CSU wollen gleich mit 30 Damen und Herrn anrücken und die Grünen mit 14. Nur die FDP beabsichtigt einstweilen keine Aufstockung. Trotzdem ist dann ein größerer Raum erforderlich: Stattfinden soll die erste Sondierungsrunde im sogenannten Kaisersaal der "Parlamentarischen Gesellschaft".

Dafür bringt man sich heute und morgen gewissermaßen auf Betriebstemperatur. Gleichwohl dürften bei den ersten Unterredungen nicht nur Artigkeiten und Allgemeinplätze ausgetauscht werden. Unterstützt doch Angela Merkel den Wunsch der Grünen, bereits die Ergebnisse der Sondierungen in einem Papier zusammenzufassen. Vor diesem Hintergrund könnte es schon in dieser Woche um inhaltliche Schmerzpunkte gehen und nicht nur um organisatorische sowie strukturelle Belange. Politische Reibungspunkte gibt es zuhauf. So will sich die CSU dem Vernehmen nach insbesondere bei der inneren Sicherheit und der Sozialpolitik profilieren, um AfD-Wähler zurückzugewinnen. Die FDP pocht auf die Abschaffung des Solidarzuschlags und des verfassungsrechtlichen Kooperationsverbots im Bildungsbereich. Und die Grünen haben zum Teil grundsätzlich andere Vorstellungen in der Flüchtlingspolitik als Union und Liberale zusammen. Hinzu kommen erste personelle Ränkespiele. FDP-Chef Lindner etwa machte gestern seine Aversion gegen einen neuen Finanzminister mit CDU-Parteibuch deutlich. Einer gedeihlichen Gesprächsatmosphäre dürfte das kaum gedient haben.

Auch außerhalb des Reichstages sind die Wunschzettel an eine mögliche Jamaika-Koalition lang: Die Frauen Union (FU) forderte gestern klare Entlastungen für Familien, die Gewerkschaft Verdi ein Bundesweiterbildungsgesetz und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes eine Reform für bezahlbares Wohnen. Bis über solche Feinheiten politische Klarheit herrscht, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort