Erst Todesanzeigen, dann Sportteil

BITBURG. Dritter Teil der TV -Serie über Wohnen im Alter: Wir stellen "Limbourgs Garten" vor, eine Anlage für betreutes Wohnen in Bitburg. Hier leben Menschen ab 60 aufwärts. Ein Service des Roten Kreuzes hilft bei Problemen im Alltag. Jeder hat seine eigene Wohnung. Und seine Gründe, dort zu leben.

 In "Limbourgs Garten", einer Anlage für Betreutes Wohnen, leben über 30 Senioren.Foto: Uwe Hentschel

In "Limbourgs Garten", einer Anlage für Betreutes Wohnen, leben über 30 Senioren.Foto: Uwe Hentschel

"Der Mann ist tot, die Kinder sind raus, auf einmal ist man ganz allein in der großen Wohnung." Wenn Hannelore Weiers an ihre alte Mietwohnung im dritten Stock denkt, dann tut sie das mit gemischten Gefühlen. 38 Jahre ihres Lebens hat sie dort gewohnt. Drei Zimmer, Küche, Bad. Die beiden Söhne sind dort aufgewachsen, wohnten bei ihr, als Hannelore Weiers' Mann vor 20 Jahren starb. Wenn sie die Zeitung liest, dann von hinten. Zuerst die Todesanzeigen, dann den Sportteil. "Ich gucke erst, wer gestorben ist, dann wer gewonnen und wer verloren hat", sagt die 70-Jährige - das Leben mit drei fußballbegeisterten Männern kann prägend sein. 38 Jahre im dritten Stock auch. Jeden Tag 72 Stufen runter und 72 Stufen wieder rauf. 72 Gründe, auszuziehen. Seit drei Jahren wohnt sie in "Limbourgs Garten", einer Einrichtung für Betreutes Wohnen in Bitburg. Wenn sie jetzt in eine andere Etage will, drückt sie den Aufzugknopf.Wer zum Pflegefall wird, muss ausziehen

"Mein Jüngster hat in Dudeldorf ein Haus", erzählt sie, "und er wollte für mich anbauen." Die Pläne seien schon fertig gewesen, erinnert sich die Mutter und zweifache Oma, doch ein Leben auf dem Dorf, das konnte sie sich nicht so richtig vorstellen. Ihre gewohnte Umgebung wollte sie nur ungern verlassen. Sie war eine der ersten, die damals nach - oder vielmehr während - der Fertigstellung die Wohnanlage bezogen haben. Am Anfang habe es weder Strom noch Wasser gegeben, erzählt sie. Strom und Wasser gibt es mittlerweile - zweimal in der Woche wird beides dazu verwendet, um für alle Bewohner Kaffee zu kochen. Dienstags und donnerstags ist Kaffeekränzchen. Wer Lust hat, trifft sich und quatscht über Gott, die Welt und das Leben in Limbourgs Garten. 30 Wohnungen gibt es dort. In einigen Appartements wohnen Ehepaare, doch die meisten sind einzeln bewohnt, vor allem von Frauen ab 60 aufwärts. Von denen, die an diesem Donnerstag bei Zwetschenkuchen im Gemeinschaftsraum sitzen, bereut keiner den Schritt ins Betreute Wohnen. "Der Komfort muss natürlich bezahlt werden", sagt Elfriede Mohr, die zur gleichen Zeit eingezogen ist wie Hannelore Weiers. Etwas über neun Euro Miete kostet der Quadratmeter, die Wohnungen sind zwischen 40 und 66 Quadratmetern groß. Vermieter ist eine Baugesellschaft, für die Betreuung ist Resi Neuerburg vom Roten Kreuz zuständig. "Ich bin Ansprechpartner für alles", sagt die Hausdame, "egal ob bei Beratungen oder Hilfe bei Einkäufen und Behördenangelegenheiten." Für 64 Euro pro Monat kann jeder Bewohner den Service nutzen. Mit angeboten wird außerdem noch ein Hausnotrufsystem, so dass die Senioren von ihrer Wohnung aus oder von unterwegs bei Bedarf Hilfe anfordern können. Und was ist, wenn die Bewohner irgendwann auf ganztägige Unterstützung angewiesen sind? "Dann könnte ich hier nicht mehr bleiben", sagt Hannelore Weiers. Zwar werden einige der Mieter auch heute schon regelmäßig durch ambulante Dienste betreut, doch wer zum Pflegefall wird, für den ist Limbourgs Garten nur eine Zwischenstation, bevor es zur Familie oder ins Pflegeheim geht. Doch wer weiß schon, was morgen oder in ein paar Jahren ist. Für die Menschen dort ist die Bitburger Wohnanlage vor allem eines: ihr Zuhause. In fast allen Appartements hängen Fotos von Kindern und Enkeln, auf dem Boden liegen Teppiche, und die Bettwäsche im Schlafzimmerschrank duftet noch genauso wie früher. Bei einigen hat sich nur die Anordnung der Möbel verändert, bei anderen die komplette Einrichtung. So wie bei Hannelore Weiers, deren neue Wohnung mit 48 Quadratmetern deutlich kleiner ist als die alte im dritten Stock. Sie habe fast alles neu gekauft, sagt sie und drückt ihren Löffel in ihr Zwetschenkuchenstück. "Früher musste es bei den Möbeln immer das größte sein, jetzt das kleinste."

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