Erst kam das Christkind, dann der wütende Lothar

Ein gewaltiger Orkan fegte am 26. Dezember 1999 über West- und Mitteleuropa und hinterließ dabei eine Schneise der Verwüstung. Am schlimmsten gewütet hat "Lothar" in Frankreich, doch auch im Südwesten Deutschlands richtete das Sturmtief große Schäden an.

Trier. Lothar kündigt sich nicht an. Er kommt einfach und überrascht zunächst die Meteorologen in Caen. In der Wetterstation an der französischen Kanalküste wird mitverfolgt, wie Lothars Luftdruck innerhalb kurzer Zeit abstürzt. Aus dem unauffälligen Tief über dem Nordostatlantik wird ein unberechenbares Orkantief, das nur wenige Stunden nach seiner Entstehung das französische Festland erreicht. Es ist die Nacht zum 26. Dezember 1999. Die ersten Menschen, die von der Gewalt des Orkans überrascht werden, sind die Bewohner der Normandie und der Bretagne. Mit Geschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometern pro Stunde rast Lothar über sie hinweg, deckt Dächer ab, entwurzelt Bäume, legt den Verkehr lahm und zieht weiter in den Großraum Paris und von dort in die Schweiz und den Südwesten Deutschlands.

213 Kilometer pro Stunde werden auf dem Feldberg im Schwarzwald registriert. Damit ist Lothar der schnellste Orkan, der dort seit Beginn der wissenschaftlichen Wetterbeobachtung Ende des 19. Jahrhunderts gemessen wird. Und er ist brutal. Mehr als 50 Menschen kommen in Europa ums Leben - davon 35 in Frankreich, und auch in Deutschland gibt es mindestens zwölf Todesopfer. Die meisten von ihnen werden von Bäumen erschlagen, die Lothar millionenfach zum Umstürzen bringt.

Allein im Schlosspark von Versailles werden 10 000 Bäume entwurzelt. Insgesamt sind in Europa 29 Millionen Festmeter Holz und 40 000 Hektar, also 400 Millionen Quadratmeter Waldfläche betroffen. Das entspricht einem Ausmaß von rund 56 000 Fußballfeldern. Es entstehen Schäden in Milliardenhöhe.

Region Trier hat vergleichweise Glück



Am schlimmsten erwischt es in Deutschland Baden-Württemberg, wo bundesweit die meisten Menschen verletzt und getötet werden und in den Wäldern das bis zu 25-fache eines normalen Jahreseinschlags zu Schaden kommt.

Verglichen damit hat die Region Trier Glück. Auch hier wütet Lothar, doch längst nicht so heftig wie in Süddeutschland und Frankreich. Lothars Vorgänger "Wiebke", der 1990 über die Region fegte, hat weitaus mehr Schaden angerichtet. Dennoch hinterlässt auch der Weihnachts-Orkan seine Spuren - vor allem im Kreis Trier-Saarburg, wo zahlreiche Wälder und Gebäude beschädigt werden und Hunderte meist ehrenamtliche Feuerwehrmänner ihren zweiten Weihnachtsfeiertag opfern, um die Straßen von umgefallen Bäumen zu befreien.

Und während in der Region einen Tag später zumindest auf den Straßen wieder Normalzustand herrscht, wird Südwesteuropa von einem zweiten Sturmtief heimgesucht. Diesmal trifft es den Süden Frankreichs sowie Nordspanien. Mindestens 20 Menschen verlieren ihr Leben, mehrere Hundert werden verletzt. Doch nicht nur die beiden Stürme fordern Opfer, sondern auch die Beseitigung ihrer Schäden. So sterben allein in Süddeutschland in den ersten fünf Monaten nach dem Sturmtief Lothar 16 Waldarbeiter bei Aufräumarbeiten. Und mehr als 2000 weitere werden in diesem Zeitraum verletzt.

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