Es geht nicht nur um Prozente

Die Verhandlungsführer der Arbeitnehmer haben hoch angereizt bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Acht Prozent als Start-Forderung: Das bedeutet, dass die Gewerkschaften auf fünf Prozent hinsteuern - und ohne Gesichtsverlust keinen Abschluss unter vier Prozent akzeptieren können.

Das ist das Doppelte von dem, was zumindest die meisten kommunalen Arbeitgeber in ihren Budgets einkalkuliert haben. Ein Abschluss zwischen vier und fünf Prozent wäre nach den vergangenen Spar-Runden für die Arbeitnehmer ein durchaus zu rechtfertigender Anstieg - unterm Strich eher ein großzügiger Inflations-Ausgleich als ein üppiges Zubrot.Nun bleibt aber das Problem, dass es die öffentlich Bediensteten nicht mit einem Arbeitgeber zu tun haben, der auf dem Rücken seiner Beschäftigten saftige Renditen an Aktionäre überweist und seine überquellenden Gewinne am internationalen Finanzmarkt vervielfacht. Im Gegenteil: Die öffentliche Hand ist ein maroder Betrieb, dessen Einnahmen nicht annähernd die Ausgaben decken und der unter privatwirtschaftlichen Kriterien einen beträchtlichen Teil seiner Belegschaft entlassen oder outsourcen müsste. Dem Bund mag dabei noch das Füllhorn der Abgabenpolitik als - wenn auch zwiespältiges - Steuerungs-Element zur Verfügung stehen. Die Kommunen haben nicht einmal das. Sie können, wenn ihre Mitarbeiter mehr Geld wollen, nur weitere Schulden machen oder die Zahl ihrer Beschäftigten reduzieren. Wer also mit Fug und Recht "normale" Tariferhöhungen für den öffentlichen Dienst fordert, muss auch akzeptieren, dass der Arbeitgeber die faktische Beschäftigungs-Garantie, die auch die meisten Angestellten im öffentlichen Dienst bis heute haben, aufhebt. Wenn Normalität, dann mit Sonnen- und Schattenseiten. Darauf läuft die Entwicklung fast zwangsläufig hinaus. Was die Sache erschwert, ist der Umstand, dass der ambitionierte Versuch, Flexibilität und Leistungsorientierung über eine neue Tarifstruktur stärker zu verankern, am gigantischen Beharrungs-Mechanismus der Behörden weitgehend gescheitert ist. Zu hinterfragen, ob die öffentliche Besoldung einer Krankenschwester im richtigen Verhältnis zu der eines Amtmanns steht, wäre weiter dringend notwendig. Ob es sein kann, dass ein Briefträger in Frankfurt genau so bezahlt wird wie in Bliesransbach ebenfalls. Für die Schaffung gerechterer Strukturen, für die Einführung von Leistungs-Anreizen wären fünf Prozent Mehrausgaben im öffentlichen Dienst jederzeit eine gute und auf Dauer auch rentable Investition. Für die Ausschüttung per Gießkanne nicht. d.lintz@volksfreund.deKommentar

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