"Es geht nicht ums Fischen im Trüben"

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee fordert im Tarifstreit bei der Bahn zügig eine "tragfähige Lösung". Zugleich verteidigt der SPD-Politiker im Gespräch mit unserer Zeitung die Teilprivatisierung des Unternehmens und höhere Bußgelder für Verkehrssünder. Das Interview führte unser Korrespondent Hagen Strauß.

 Geht es nach Tiefensee, soll es keinen Streik bei der Bahn mehr geben. TV-Foto: Friedemann Vetter

Geht es nach Tiefensee, soll es keinen Streik bei der Bahn mehr geben. TV-Foto: Friedemann Vetter

Berlin. (has) Herr Minister, der Tarifkonflikt bei der Bahn erhitzt die Gemüter. Was raten Sie den Konfliktparteien?Tiefensee: Neben den Belangen der Beschäftigten müssen auch die volkswirtschaftlichen Dimensionen berücksichtigt werden. Hier lastet eine hohe Verantwortung auf den Schultern der Tarifpartner. Ich fordere die Konfliktparteien dazu auf, schnell an den Verhandlungstisch zurückzukehren und zügig eine tragfähige Lösung zu finden. Politisch hat man den Eindruck, dass es derzeit nicht sonderlich gut läuft für Sie.Tiefensee: Wer schwierige Projekte bearbeitet, bekommt auch Widerspruch. Das ist in der Politik nicht verwunderlich. Vor allem die Länder stemmen sich gegen Sie, auch beim Thema Erhöhung der Bußgelder. Studien belegen, dass Strafe allein nicht nützt. Warum wollen Sie die Verkehrsteilnehmer dennoch kräftiger zur Kasse bitten?Tiefensee: Mein Ziel ist es, die Vernünftigen im Straßenverkehr besser vor den Unvernünftigen zu schützen. Wir werden die Delikte schärfer ahnden, die mit übermäßigem Alkoholkonsum, mit Drogen sowie mit extremer Raserei in den Städten zu tun haben. Die Länderminister sehen das nicht grundlegend anders, denn der Katalog geht auf eine gemeinsame Initiative zurück. Die Erhöhung der Bußgelder wird aber nur Wirkung zeigen, wenn die Länder die Kontrollen deutlich verschärfen. Dazu fordere ich auf. Ihre Pläne gehen einzelnen Ländern deutlich zu weit.Tiefensee: Auf Arbeitsebene wurde der neue Bußgeldkatalog der Bundesregierung von den Ländern einstimmig unterstützt. Sollten sich die Abteilungsleiter so schlecht mit ihren Chefs abgestimmt haben? Massiven Gegenwind gibt es auch bei der Teilprivatisierung der Bahn. Streckenstilllegungen und höhere Preise sind nur zwei Befürchtungen, wenn die Bahn an die Börse geht. Was halten Sie dagegen?Tiefensee: Streckenstilllegungen werden von Bund und Ländern entschieden, nicht von der Bahn, daran ändert sich nichts. Ich unterstütze alles, was den Verkehr in der Fläche verbessert. Generell gilt: Das Gesetz entspricht den Eckpunkten, die sich die Koalition gesetzt hat: Das Netz verbleibt zu 100 Prozent beim Bund, der Konzern wird nicht zerschlagen. Werden Sie die Länder mit höheren Regionalisierungsmitteln ködern?Tiefensee: Hier geht es nicht ums Fischen, schon gar nicht im Trüben. Ich bin mit den Ländern in sehr konstruktiven Gesprächen, beispielsweise über den Fall, dass durch Inflation, durch steigende Energiekosten oder über höhere Trassenentgelte mehr Geld für das Bestellen von Verkehr nötig wird. Auch ich will verlässlich hohe Qualität im ländlichen Raum. Was passiert, wenn Ihnen der SPD-Parteitag im Oktober bei diesem wichtigen Projekt die Gefolgschaft verweigern sollte?Tiefensee: Es geht nicht um meine Gefolgschaft, das Gesetz ist von den Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebracht worden. Die SPD wird die Diskussion auf der Basis des Gesetzes gründlich führen: offen und fair. Das ist üblich in meiner Partei. Wir verfolgen gemeinsam das Ziel, sogenannte Heuschrecken auszuschließen. Deshalb bin ich für eine breite Streuung der Aktien. Der Parteivorstand hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in der Vertreter unterschiedlicher Positionen konstruktiv einen Antrag für den Parteitag vorbereiten. Das ist doch ein gutes Signal. Ich bin deshalb optimistisch, dass die Reform gelingt.Beim Parteitag wird es auch um das Erbe Gerhard Schröders gehen. Sind Sie als Sozialdemokrat stolz auf die Agenda 2010?Tiefensee: Die Agenda 2010 ist ein Fundament für den derzeitigen Aufschwung und den Rückgang der Arbeitslosigkeit. Das wird zu oft vergessen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort